piwik no script img

Kirchentag gegen Apartheid

„Apartheid hat keine Zukunft. Laßt uns also etwas für die Zukunft der deutschen Banken tun.“ Die angesprochenen 300, die meisten mit den gelben Halstüchern der Kampagne „Kirchentag gegen Apartheid“ ausgestattet, verstanden, was Edmund Arens, der Moderator des kurzen Gottesdienstes auf dem Frankfurter Rathenauplatzes mit seiner ironischen Wendung meinte: In kleinen Gruppen sollten sie gestern vormittag zu 18 Frankfurter Bankfilialen ausschwärmen und ihnen „Besuche abstatten - nicht: sie überfallen oder unter Druck setzen“, wie den Teilnehmern eingeschärft wurde. „Gott, Vater und Mutter im Himmel, segne unseren Weg zu den Zentren des bundesdeutschen Kapitals!“ - so schloß der Gottesdienst auf dem Rathenauplatz im Schatten der Bankenpaläste ringsum, und schon gings los. Gasgefüllte Luftballons - nach Gruppen durchnummeriert - wiesen den wohlorganisierten Pilgern den Weg. Wenig zurückhaltend war die Gruppe von 60 Leuten, die zur Deutschen Bank gezogen waren. Fünf von ihnen bildeten einen Menschenteppich und stellten mit Sandwiches ermordete Südafrikaner dar. Die Bankkunden, ob alt oder jung, störte es ersichtlich kaum, daß sie durch das Spalier der übri gen und über die „Leichen“ hinweg steigen mußten. Auf Diskussionen über Apartheid und Banken ließen sich nur die wenigsten ein, und dann reichten die Reaktionen von „Das erinnert mich an den Boykott jüdischer Geschäfte“ bis zu Lippenbekenntnissen gegen die Apartheid. Die hatte es auf dem Kirchentag auch am Tag zuvor schon gegeben. Auf dem Forum „Südliches Afrika“, das zeitweise bis zu 3.000 Leuten anzog, waren sich alle Parteienvertreter - bis zum CSUler - scheinbar einig gegen Apartheid, aber zur Frage der Wirtschaftssanktionen drückten sich die Bonner Koalitionäre erwartungsgemäß um klare Stellungnahmen. Die eingeladenen Bankenvertreter waren erst gar nicht erschienen. Am ehesten konnte die „Kampagne Kirchentag gegen Apartheid“ noch die Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unter Beschuß nehmen. Die hielt es nämlich - unter dem Gelächter des Publikums - für „unevangelisch“, die kirchlichen Konten bei Banken zu kündigen, die in Südafrika engagiert sind. Das mache den Dialog unmöglich. Einen Erfolg allerdings hatte die Kampagne schon im Vorfeld des Kirchentags erzielt. Im März kündigte das Präsidium des Kirchentages sein Konto bei der Deutschen Bank. Schon das Südafrika–Forum des Düsseldorfer Kirchentags 1985 hatte dies gefordert. Doch lange Zeit passierte gar nichts. Erst ein eindringlicher Brief von über 120 Gruppen, die auf dem Frankfurter Kirchentag (auf den Ständen des „Markts der Möglichkeiten“) ihre Arbeit vorstellen wollten, zwang das Präsidium, Stellung zu beziehen: Am 1.November lehnte es zunächst „mehrheitlich“ eine Kontenkündigung ab. Doch die Gruppen gaben sich nicht zufrieden. Sie stellten den Kirchenoberen eine Kampagne in Aussicht, „um das Thema Südafrika - Kirchliche Gelder und Vermögen... zum zentralen Thema des Kirchentages und innerkirchlicher Diskussionen zu machen“. Und auf einmal reagierte das Präsidium. Es forderte von der Deutschen Bank, bei den anstehenden Umschuldungsverhandlungen mit Südafrika politische Bedingungen zu stellen: die Aufhebung von Ausnahmezustand und Pressezensur, die Freilassung der politischen Gefangenen und die Zulassung politischer Organisationen - den ANC eingeschlossen. Andernfalls werde man das Kirchentagkonto bei der Deutschen Bank kündigen. Deren Vorstandssprecher Herrhausen antwortete prompt: Über die Ablehnung der Apartheid sei man sich ja einig. Aber politische Forderungen könnten „nicht in Umschuldungsverhandlungen, gleichgültig mit welchem Land, als Vorbedingung eingebracht werden“. Erst als der von der Kirchenleitung als „intern“ eingestufte Brief einen Monat später an die Öffentlichkeit gelangte, mußten Vorstand und Präsidium des Kirchentags handeln: Sie beschlossen tatsächlich, die Geschäftsbeziehungen mit der Deutschen Bank zu beenden. Allerdings, so wurde bekanntgegeben, gebe es im Präsidium auch eine starke Minderheit, die den Beschluß für falsch halte. Und der Berliner Bischof Kruse distanzierte sich als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche von dem Beschluß. Auf dem Kirchentagsforum unterstützte ihn noch einmal Oberkirchenrat Konring: „Das kirchengemäße Handeln ist das Wort.“ Die Antwort erhielt er tags darauf in dem Gottesdienst zu der Bankenaktion mit einem Zitat des Propheten Jeremiah: „Ihr ermüdet den Herrn mit eurem Reden.“ Michael Rediske

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen