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Was sich Kegler so alles bieten lassen

■ Das „größte Kegelfestival der Welt“ in Dortmund entpuppt sich als Flop / Auch das Kompaktangebot aus Sex, Konsum und ein bißchen Kugelschieben, gemeinhin Hauptfreizeitbeschäftigungen des Zielpublikums, stößt auf wenig Gegenliebe

Von Corinna Kawaters

Dortmund (taz) - Juni 87 in der Bundesrepublik: Morgens regnets, mittags gibts nen Schauer und abends ein Gewitter. Doch Frank Lenz, Organisator des „größten Kegelfestivals der Welt“, setzt in das Scheißwetter seine letzte Hoffnung, die Westfalenhalle noch vollzukriegen. Eine Riesenpleite bahnte sich schon in den ersten vier von insgesamt zehn Festival–Tagen (vom 12. bis 21. Juni) an. Statt der erwarteten 2.000 „tröpfelten“ bislang nur 600 zahlende Gäste pro Tag in die Hallen 6 und 7 in Dortmund. Dabei hat der Veranstalter, die Kamener Firma Hermes, doch alles aufgeboten, was einsamen Kegelbrüdern und -schwestern gefallen könnte: Singende Hula– Mädchen, die Band Vanua–Levu, Bier– und Imbißstände, einen Nordseestrand mit 70 qm knöcheltiefem Sand und - die Einladung zur Gummibärchenparty. „Gummibärchenparty?“ „Ja, die Jungs bringen die Gummis mit und die Mädchen die Bärchen.“ Wer solche Witze mag, ist willkommen. Zum Beispiel im Moulin–Rouge–Nachtprogramm, dessen Besuch im Eintrittspreis von 8 DM enthalten ist. Da gibts dann einen bauchtanzenden Jüngling mit Schleiern um die Schultern und einem Glitzerstein im Bauchnabel und „Mademoiselle Marlie“, eine echte Perle der Südsee, die sich nackt auszieht und ihre Bikinistreifen zeigt. Doch in der Halle herrscht gähnende Leere. Am Sandstrand, der für den Anis–Likör „Küstenne bel“ werben soll, drängt sich niemand, und die Hula–Mädchen, die ihre Hüften vor einer anderen Soft–Drink–Reklame wiegen, können ihr Publikum einzeln abzählen. Wenig Applaus dann auch, als ein alkoholisierter Kegelbruder aus Geseke von den Mädels ein Baströckchen verpaßt kriegt und mitswingt. Gekegelt werden darf natürlich auch, doch den Kegelbrüdern und -schwestern sind längst Augen und Ohren übergegangen, wenn sie bis zu ihren Bahnen vordringen konnten, die am Rande der Riesen kirmes aufgebaut sind. Getränkefirmen, Club–Reiseveranstalter und Zigarettenfirmen versuchen, am „Sport gegen die Einsamkeit“ zu profitieren. Der Wettkampf wird zur absoluten Nebensache. Ein Ehepaar, das extra aus Soest angereist ist, ärgert sich nicht nur über den inzwischen reduzierten Eintrittspreis. Im Vorverkauf hatten sie ihre Eintrittskarten für 18 Mark gekauft und müssen nun in Dortmund erfahren, daß der Preis inzwischen um zehn Mark reduziert ist. Der Manager bietet ihnen an, die Diffe renz „abzukegeln“, was die beiden dann, etwas verschnupft, akzeptieren. „Ich hatte eigentlich erwartet, daß das Kegeln mehr im Vordergrund steht“, sagt die Frau, etwas ratlos angesichts des bunten Konsum–Tingel–Tangels. Einige bierbäuchige Herren und sportliche Damen lassen sich trotzdem nicht verdrießen, die Kugel rollt. In verschiedenen Disziplinen treten Freizeit– und Sportkegler gegeneinander an, „damit nicht die Sportler alle Preise abkassieren“, erklärt Frank Lenz diese Einteilung. Die Gewinne, Teddybären oder Urkunden, überreicht dann Dagmar Schulz, Miß Germany 1986/87. Miß Schulz wäre „an einem solchen Tag auch lieber im Bett geblieben“, schlägt sich aber wacker durch ihr Engagement als „Programmpunkt“. Günther, der süddeutsche Schupfnudeln–Händler, rührt in seinem „3–Länder–Eck Imbiß“ frustriert in der Nudel–Pfanne. Er lastet deren schleppenden Absatz der schlechten Presse an, die das Night–Show–Programm mit der Striptease–Lady der Veranstaltung gebracht hat. Das hat dem WAZ–Reporter, der am Eröffnungstag gekommen war, nämlich gar nicht gefallen, und Günther schimpft: „Warum schreibt der seine miese Kritik denn gleich am ersten Tag, dann kommt doch gar keiner mehr!“ Das dicke Lob der Geschäftsleitung der Westfalenhalle für die „Freizeit–Konzeption“ Haus, Sport, Sex und Konsum nutzt den Veranstaltern aber auch nicht. Sie rechnen inzwischen mit Verlusten von „fünfzig Mille“, wie Frank Lenz sagt, haben den Eintrittspreis von 18 auf acht Mark reduziert und verteilen fleißig Freikarten in Dortmunder Firmen und Kegelclubs. Außerdem haben sie sich inzwischen mit der WAZ geeinigt, „daß keine schlechten Berichte mehr kommen“. Ob das der Super–Trick ist, um das Publikum in die Hallen zu locken, wird sich zeigen. Vielleicht jedoch sind die Kegelfreunde doch noch nicht so vereinsamt und verblödet, um sich - selbst bei Regenwetter - alles bieten zu lassen.

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