Letztes besetztes Haus geräumt

■ Martialisches Polizeiaufgebot räumt letztes besetztes Haus in Freiburg / Grüne protestieren gegen Abrißpolitik / Szene diskutiert mangelnde Solidarität / Randale und Festnahmen in Bonn

Von Oliver Tolmein

Berlin(taz)– Am Samstag wurde in Freiburg das letzte besetzte Haus geräumt. In der Nacht zum Sonntag kam es darauf zu Protesten und Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und mehreren hundert Leuten in der Freiburger Innenstadt. Dabei seien nach Polizeiangaben über 20.000 Mark Sachschaden entstanden. Auch in Bonn gingen in dieser Nacht etliche Schaufensterscheiben zu Bruch: „Rache für Freiburg“ zu üben war das Ziel von etwa 100 Militanten. Während es in Freiburg bei den Aktionen zu keinen Festnahmen kam, wurden in der Bundeshauptstadt von 19 Streifenwagenbesatzungen 14 Leute abgegriffen. Gegen vier von ihnen wird wegen Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung ermittelt. Der Polizeieinsatz am Samstag am Freiburger Schloßbergring war ungewöhnlich massiv gewesen. Während sich in dem an einem Hang gelegenen, seit zwei Jahren besetzten Haus 21 Leute gut verbarrikadiert hatten, rückte die Polizei mit über 400 Beamten an. Zusätzlich wurden noch Sondereinsatzkommandos eingesetzt, die über Leitern und aus zwei Hubschraubern das Haus erstürmten. Alle 21 BesetzerInnen, die keinen Widerstand leisteten, wurden vorläufig festgenommen. Der nach Augenzeugenberichten „martialische Polizeieinsatz“ dauerte 90 Minuten. Die baden–württembergischen Grünen protestierten während ihrer Landesversammlung scharf gegen die Räumungsaktion. Die „Pfingstkrawalle“ seien offenbar ein willkommener Anlaß für die Stadtregierung, ihre Politik der Zerstörung billigen Wohnraums zugunsten der Spekulanten durchzusetzen, heißt es in einer Resolution. Der Freiburger Oberbürgermeister Rolf Böhme (SPD) hat unterdessen seinen Versuch, die radikale Szene Freiburgs zu isolieren, fortgesetzt und die BesetzerInnen zu einem Umfeld gezählt, „das als Terror umschrieben werden muß“. In der linken Freiburger Szene wird jetzt diskutiert, wie der politische Widerstand weiter gehen kann. Einig ist man sich darüber, daß die militanten Aktionen zu Pfingsten nicht der Auslöser für die Räumung der letzten besetzten Häuser war, weil diese bereits vorher begonnen hatten und angekündigt worden waren. Trotzdem existieren unterschiedliche Einschätzungen auch in der linksradikalen Szene, ob die Sachbeschädigungen sinnvoll waren. Zwar zeige sich an der Tatsache, daß nach den Räumungen regelmäßig mehrere hundert Leute auf die Strasse gingen, daß man nicht isoliert sei, andererseits könne aber von einer Solidaritätswelle wie nach den Räumungen des Dreisamecks und später des Schwarzwaldhofes auch nicht gesprochen werden könne. B A R O E T E R 21.06.87 732.000