: Bald nur noch Plastikgeld?
■ Der Siegeszug der Kreditkarte scheint auch in der Bundesrepublik unaufhaltbar / Konkurrenz für den Euroscheck / Banken und Sparkassen haben Angst um ihre Marktpositionen
Von Horst P. Wichel
Jeder Amerikaner hat durchschnittlich sieben Stück davon, auch in anderen westlichen Ländern finden Kreditkarten regen Zuspruch - nur die Bundesdeutschen trauen sich noch immer nicht an das Plastikgeld heran. Allein vom größten Kreditkarten–Unternehmen der Welt, Visa, sind gegenwärtig rund 150 Millionen Karten im Umlauf, Mastercard, Eurocard und Access bringen es auf zusammen 115 Millionen Exemplare. American Express und Diners Club nehmen sich dagegen mit rund 22 Millionen bzw. 5 Millionen noch bescheiden aus. Bei den Bundesbürgern haben die Kartenorganisationen bislang jedoch - trotz massiver Werbemaßnahmen - noch keinen Einbruch in die Vorherrschaft des Euroschecks erzielen können. American Express hat an 500.000 mehr oder minder betuchte Westdeutsche Karten ausgegeben, bei Eurocard sind es 440.000, Diners Club bringt es auf 250.000 und ausgerechnet der Branchenriese Visa zählt nur 130.000 Bundesbürger zu seinen Kunden. Bei der Euroscheck–Karte hingegen sind die Deutschen absolute Spitze: mehr als 20 Millionen Scheckkarten stecken in den Brieftaschen der Bank– und Sparkassenkunden. Im gesammten restlichen Europa wird dieses System nur im Umfang von 8,8 Millionen Karten genutzt. Doch die Abkoppelung vom weltweiten Boom des Plastikgeldes soll schon bald ein Ende haben. Gerade in den vergangenen Monaten mehren sich die Anzeichen für eine gezielte Forcierung im Kreditkarten–Bereich. Im Mai 1987 überraschten die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels und der Gaststättenverband die bislang unschlüssigen und zurückhaltenden Kreditinstitute der Republik. Seit Jahren schon bemühte sich der Handel um bessere Konditionen bei den Kreditkartenfirmen, denn eine Provison von drei bis acht Prozent des Umsatzes müssen die Händler bei jedem Einkauf per Kreditkarte an die Kartenorganisation abführen. Mit der Deutschen Kreditkarte (DKK) wollen Hoteliers und Einzelhändler günstiger arbeiten (Provi sionssatz 2,75 Prozent) und den Karten–Markt beleben. Untersuchungen haben bereits gezeigt, daß dort, wo eine Karte ist, mindestens auch noch eine weitere Platz findet. Wenn 10.000 Partner im Handel und 5.000 in der Gastronomie gefunden sind, wollen die Kreditkartenplaner mit der Ausgabe der Karten beginnen, nach ihren Wünschen voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1987. Sparkassenpräsident Geiger drohte bereits mit „Vergeltungsmaßnahmen“, doch schon im Februar 1987 hatte der Chef des Deutschen Sparkassen– und Giroverbandes in seinem eigenen Haus bremsen müssen. Johannes Fröhling vom Rheinischen Sparkassen– und Giroverband hatte einer erstaunten Öffentlichkeit verkündet, die Sparkassenorganisation wolle ihre Kundenkarte (S–Card) in Kooperation mit dem amerikanischen Marktfürher Visa zur Kreditkarte weiterentwickeln. „Hinsichtlich einer eventuellen Zusammenarbeit mit Visa wird von den Sparkassen kein Alleingang angestrebt“, erklärte Geiger. Insider wissen, so meldete die Düsseldorfer Wirtschaftswoche, „das Objekt seiner Begierde zeigt keine Neigung, ausschließlich den Lockungen der Sparkasse zu folgen. Denn die amerikanische Kreditkartenorganisation will mehr.“ Visa verhandelt bereits seit längerem mit der von allen Bankengruppen getragenen Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS). Die Deutsche Bank hat ebenfalls Konzepte für eine Zusammenarbeit entwickelt, die ihren schrittweisen Übergang in das Plastikkarten–Zeitalter beabsichtigen. Nach den Worten von Ulrich Weiss, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, ist an eine Euroscheckkarte gedacht, die als Scheckgarantiekarte (wie bisher) und als Kreditkarte verwendet werden kann und darüber hinaus durch Magnetstreifen auch Zugang zu Geldautomaten gewährt. Doch damit nicht genug: Im Hintergrund wartet bereits eine intelligentere Karte mit eingebautem Mikrochip–Gedächtnis. 1974 in Frankreich entwickelt, haben superschlaue Karten aus Japan bereits ein Speichervermögen von 64 Kilobit. Die französische Kreditkartenorganisation Bancaire will schon 1988 ihre zehn Millionen Mitglieder mit einer „Smart Card“ ausstatten, Master Card erprobt die „Super Smart Card“ des japanischen Herstellers Casio derzeit in einem Großversuch in Florida. Wie auch immer: Die bundesdeutschen Kreditinstitute wollen die Kreditkarte als Marketing– und Servicevehikel nutzen. Hoffnungen auf neue Impulse im Kreditgeschäft und die Erwartung, mit dem prestigeträchtigen Plastikgeld auch höhere Gebühren durchsetzen zu können, werden sicherlich von deutschen Kunden nicht enttäuscht werden.
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