: Kadar bleibt, der Rest muß gehen
■ Führungswechsel in Ungarn / Suche nach dem Nachfolger für den 75jährigen Chef Kadar
Die ungarische Führungsspitze ist am Donnerstag ausgetauscht worden. Einzig der 75jährige Parteichef Janos Kadar, auf dessen spätere Nachfolge die Umbesetzung offenbar zielt, blieb auf seinem Posten. Zwei Kronprinzen werden für seine Nachfolge gehandelt: Karoly Grosz (57), seit 1984 Erster Sekretär der Budapester KP, wurde nun zum Ministerpräsidenten Ungarns ernannt; Janos Berecz (ebenfalls 57), zuvor im Parteisekretariat, ist nun im Politbüro für Propaganda zuständig. Berecz hatte sich kürzlich bei der heftigen Auseinandersetzung zwischen dem ungarischen Schriftstellerverband und der Partei unbeliebt gemacht. Danach hatte er eine öffentliche Rüge von Kadar einstecken müssen, was viele Beobachter zu Mutmaßungen über sein politisches Aus verleitet hatte. Zu Unrecht, wie sich nun herausstellte. Beide Anwärter gelten nicht als sonderlich reformfreudig. Politische Beobachter erwarten, daß sie die Politik Kadars fortsetzen und sich auf keine Experimente a la Glasnost einlassen werden. Karoly Nemeth hingegen, der zwei Jahre lang Stellvertreter Kadars gewesen war, wurde jetzt zum ungarischen Staatschef ernannt: Dadurch ist er aus dem Rennen um Kadars Nachfolge. György Lazar, der zwölf Jahre lang Ministerpräsident war, ist nun stellvertretender Generalsekretär der KP. Der 62jährige ist ein traditioneller „Kadarist“ am Ende seiner Karriere, von dem keine Konkurrenz für die Kronprinzen droht. Zum ersten Mal seit dem Kongreß im März 1985 ist wieder eine Frau, Judith Csehak, im Politbüro vertreten. Beobachter hielten am Donnerstag die Umbesetzungen in der ungarischen Partei für den Versuch, durch Veränderung den Status Quo zu erhalten und tiefgreifende Entscheidungen zu vermeiden. -ant
Juden in Wien: Wachsender AntisemitismusFoto: ap
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