: Harte Vorwürfe eines Kripobeamten
■ Der ehemalige Kripobeamte Werner Knocke kämpft um seine Rehabilitierung / Bei Kontrolle eines V–Mann–Führers stieß er auf Verfilzung von Bordellszene, Verfassungsschutz und Polizeibeamten
Aus Hannover Jürgen Voges
„Warum haben Sie das nicht alles schon während der Anhörungsfrist vorgebracht“, fragte der Vorsitzende der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Hannover immer wieder. Doch der Erste Kriminalhaupthauptkommissar Werner Knocke, seit 1953 in Polizeidienst, hat bis zuletzt nicht geglaubt, daß gegen ihn dieses Verfahren auf Entfernung aus dem Dienst wegen einer angeblichen Veruntreuung von 1.400 DM überhaupt stattfinden würde. Am Montag ließ dann Werner Knocke die Katze aus dem Sack: Leitende Beamte bis hin zur Abteilungsleiterebene aus dem Innenministerium, der Polizeidirektion Hannover, dem Landeskriminalamt und dem niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz, so erklärte er vor der Disziplinarkammer, hätten in den Jahren 1979 bis 1981 ihre dienstliche Stellung zu kostenlosem Geschlechtsverkehr mit Prostituierten mißbraucht und „in Bordellen in der Südheide regelrechte Orgien gefeiert“. Polizeibeamte hätten damals außerdem aus der dortigen Zuhälter– und Kriminellenszene Geld– und Sachgeschenke erhalten. Im Gegenzug sei diese Szene mit Tips über bevorstehende Polizeiaktionen versorgt worden. Dadurch sei die Aufklärung zahlreicher Straftaten verhindert worden. Daß Werner Knocke bei der Kontrolle eines Untergebenen auf diesen Sumpf gestoßen und dann eigene Ermittlungen begonnen hat, ist für ihn der Grund, daß man ihm ein Strafverfahren angehängt hat und nun die Entfernung aus dem Dienst betreibt. Auch sein Anwalt, der als einsamer Kämpfer gegen den Multiagenten Werner Mauss bekannte Elmar Brehm, sagt: „Mein Mandant kam Polizisten ins Gehege, die die Hand aufhielten“, deswegen sei er im Polizeidienst unerwünscht. Die Vorwürfe, die sein Mandant gegen die Polizeioberen erhoben habe, ließen sich allesamt belegen. Das alles stände auch in eigenen Akten der Polizei. Das Gericht müsse nur seinen Beweisanträgen folgen und alle erforderlichen Akten herbeiziehen. Werner Knocke verteidigt sich gegen den Vorwurf, 1.400 Mark V–Mann–Gelder veruntreut zu haben. Dieses Geld, so Knocke, habe er vielmehr für Ermittlungen gegen seine Vorgesetzten verbraucht. Er schöpfte nach eigenen Angaben gegen seinen Untergebenen Klaus W. Verdacht, als dieser zwar fast täglich als V–Mann–Führer eines örtlichen Bordelliers unterwegs war, aber keine Ergebnisse lieferte. Mit Einverständnis des ehemaligen Leiters der Polizeidirektion, Hans Sander, Hannover, hat er dann Ermittlungen gegen Klaus W. aufgenommen und sich selbst einen Informanten in der örtlichen Zuhälterszene verschafft. Einen Teil der Kosten für diese V–Mann–Gelder rechnete er jedoch mit Wissen von Hans Sander, wie er selbst sagt, auf den V–Mann–Rechnungen seines Untergebenen ab. Als er weit fortgeschritten mit seinen Ermittlungen gewesen sei und kurz davor, die Verstrickungen der Polizeioberen mit der Bordellszene zu beweisen, sei er dann vom Dienst suspendiert worden. „Mein eigener V–Mann wollte mir damals gegen entsprechende Bezahlung Fotos und Tonbänder von den Bordellbesuchen liefern“, sagt Knocke heute. Kurz darauf durchsuchten seine Kollegen sein Büro und seine Diensträume. Von den zuerst gegen ihn erhobenen Vorwürfen, unter anderem illegaler Waffenbesitz im Stahlschrank der Polizei, blieb am Ende kaum etwas übrig. Im ersten Durchgang stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein. Erst nach Beschwerde der Polizeidirektion wurde dann doch Anklage erhoben und Knocke wegen der 1.400DM V–Mann–Gelder im Dezember 1984 vom Landgericht Hildesheim zu 5.000 DM Geldstrafe verurteilt. Die Ermittlungsakten, die Knocke damals bei seinen Nachforschungen gegen Kollegen und Vorgesetzte angelegt hatte, sind seit den Durchsuchungen verschwunden. Auch der Vertreter der Landesregierung im Disziplinarverfahren konnte über ihren Verbleib nichts aussagen. Sie seien wohl in den Dienstgebrauch der Polizei zurückgegangen, sagte der Kriminaloberrat Laakmann. Knockes damaliger Informant ist unter bisher ungeklärten Umständen 1983 bei einem Autounfall in Spanien verstorben - in der Nähe von Marbella, wie Rechtsanwalt Brehm immer wieder betont. Dorthin würden sich nicht nur Zuhälter zurückziehen, wenn es hierzulande zu heiß würde, auch Manfred Borrak und Werner Mauss besäßen dort ein Haus. Auch Werner Knocke fühlt sich inzwischen nach einem anonymen Anruf bedroht.
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