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Die schwarze Herrin im rot–grünen Haus

■ Otti Geschka (CDU) ist die neue Chefin der hessischen Frauenbehörde. Was ist für sie Frauenpolitik? Wie findet sie Frauencafes? Was hält sie von Abtreibung? Maria Neef–Uthoff sprach mit ihr über die ersten sechs Wochen ihrer Amtszeit

taz: Frau Geschka, Sie waren neun Jahre lang Landtagsabgeordnete, Sie waren in den Ausschüssen Wirtschaft und Technik und in dem Ausschuß für Umweltfragen. Erst in der letzten Legislaturperiode hatten Sie den Schwerpunkt Frauen, Sie waren Frauensprecherin der Fraktion, warum gerade Sie? Otti Geschka: Ich war vielleicht am lautesten, ... Was ist Ihnen so wichtig an der Frauenpolitik? Wichtig ist mir, ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen politischer Entscheidungen zu richten, soweit sie Frauen betreffen. Männer haben eine andere Realität. Man kann davon ausgehen, daß viele Frauen eine Berufspause machen, wegen ihrer Kinder. Sie sind dann ganz anderen Schwierigkeiten ausgesetzt. Es geht nicht nur darum, später in den Beruf wieder reinzukommen, es geht auch um die Karriere, mit der ist es einfach Sense, wenn Frauen mal Pause gemacht haben. Diese ganzen Phasenmodelle, ich würde sie mal ganz drastisch als Phrasenmodelle bezeichnen. Keine Frau kann wirklich bei diesem Modell in der dritten Phase noch ernsthaft davon ausgehen, daß sie Karriere macht. Bei Kindern fallen mir immer auch die Väter ein. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, daß Frauen die Verantwortung für die Familie gar nicht wegschieben können, selbst wenn sie noch so konzentriert am Schreibtisch arbeiten. Ich denke, Väter können sehr viel leichter an den Schreibtisch gehen und vergessen, daß es die Familie gibt. Erst wenn die Kinder groß genug sind, hat man als Frau nicht mehr diese tägliche Angst, daß ihnen was fehlt. Wie kann man die Väter denn Ihrer Meinung nach mehr in die Pflicht nehmen, daß sie sich ebenso verantwortlich fühlen für Familie wie die Frauen und dies sich auch in ihrer Arbeitswelt niederschlägt? Es ist nicht unbedingt meine Aufgabenstellung hier, aber es ist etwas, von dem ich erwarte, daß es bei meiner Arbeit herauskommt. Wenn wir z.B. mehr qualifizierte Arbeitsplätze in flexibler Zeitform anbieten oder die Teilzeitarbeitsplätze heute in höherqualifizierten Bereichen ansiedeln. Wenn Männer diese Chance sehen, wird die Bereitschaft auch größer, mehr Zeit für die Familie miteinzubeziehen. Aber das ist etwas, was sich klimatisch und bewußtseinsmäßig verändern wird. Eigentlich bin ich hier feministisch tätig, das heißt, ich kämpfe für die Frauen. Auf Dauer geht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur mit den Männern zusammen, sonst bleibt es ewig auf dem Rücken der Frauen hängen. Glauben Sie denn im Ernst, daß Sie mit diesen Themen in der CDU Prioritäten kriegen? Morgen noch nicht, aber vielleicht übermorgen. Wir müssen daran arbeiten. Daß das morgen nicht erreicht ist, darf uns nicht daran hindern, heute alles dafür zu tun. Da muß man gegen vielfältige Blockademechanismen, Vorbehalte, Vorurteile angehen. Und Kompromisse machen. Zum Schluß kommt dann etwas ganz anderes dabei heraus als das, was man ursprünglich wollte. Aber das ist ja der Sinn von einem Kompromiß, keiner verliert gern das Gesicht. Man fordert und kriegt die Hälfte, und nochmal und nochmal, das Geld wird ja nicht einfach mehr. Es tut mir fast weh und leid, daß die Fraueninitiativen und Frauenprojekte, die wie Pilze überall aus dem Boden schießen, alle Förderung wollen; z.B. im außerinstitutionellen Bildungsbereich oder im sozialen Sektor. Es werden drei– oder viermal soviel sein wie in den ersten Jahren. Es wird aber nicht drei– oder viermal soviel Geld sein. Die Frage ist, was mache ich damit. Verteile ich das auf alle, dann heißt es, daß alle weniger kriegen. Irgendwann sieht es dann so aus, daß es für keinen wirklich reicht. Wir werden uns im Herbst überlegen, ob und wo wir auch programmatisch Schwerpunkte setzen. Oder ob wir weiter mit der Gießkanne verteilen. Was sind denn Ihre Lieblingsschwerpunkte? Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich möchte darauf hinarbeiten, daß man Kinderbetreuungsmöglichkeiten für den ganzen Tag hat, aber auch Erleichterungen im Beruf. Für mich ist das Idealbild oder das Leitbild der Frau nicht die Frau, die nur Familienfrau ist, sondern Beruf und Familie versucht zu harmonisieren. Väter sollten das aber auch. Deshalb werden die Schwerpunkte bei den Bildungsmaßnahmen und im Arbeitsbreich sein. Wenn ich mir die Frauenausbildungsprojekte ansehe, die für Wiedereingliederungsmaßnahmen arbeiten, die Kurse machen, dann finde ich, das sind Hilfestellungen, die wir den Frauen wirklich schulden. Unter Umständen müssen wir uns auf solche Dinge konzentrieren. Ich sage das jetzt wirklich ins Unreine: Unter Umständen sind die Mittel so zu verteilen, daß nicht jedes Cafe gefördert wird. So richtig ich das auch finde, daß es die überhaupt gibt. Aber was wäre denn für Sie auf ein Jahr gesehen ein Erfolg? Wenn ich ein Viertel mehr Ganztagskindertagesstättenplätze und Kinderhortplätze in Hessen erreichen könnte. Wenn ich erreichen könnte, daß im nächsten Haushalt die Mittel nicht gekürzt würden. Wenn wir die Förderung der Frauenhäuser halten können. Ich träume auch davon, daß wirs ausbauen können, weil wir noch viel mehr brauchen, Frauenhäuser sind etwas zwingend Notwendiges. Aber wenn wir das halten können, ist das schon ein Erfolg, und der Sozialminister ist da mit mir einer Meinung. Nochmal zu den Frauenprojekten: Sie sagten eben, daß Sie die Projekte weiterfinanzieren wollen, daß aber eventuelle Kürzungen in Kauf genommen werden müssen, und daß Sie vor allem Prioritäten setzen wollen. Das kommt darauf an, wieviel ich in den Topf hineinkriege. Und wenn, dann würden Sie vorrangig diese Bildungsprojekte aus Fort– und Weiterbildung fördern, so habe ich Sie verstanden. Das Frauencafe aber wird leer ausgehen. Ich will es nicht mißverstanden wissen. Aber oft sind die Frauencafes doch die Voraussetzung dafür, daß Frauen überhaupt einen neuen Weg einschlagen. Dort sind vielleicht die ersten Ideen geboren. Wenn Sie jetzt sagen, das finanziere ich nicht mehr, schneiden Sie ein Stück von der Basis ab. Nein, es ist nicht so, daß alle Frauen, die an solchen Maßnahmen teilnehmen, alle erst einmal aus anderen Frauengruppen kommen. Nur, ich kanns mir ja leicht machen: Ich könnte sagen, ich will alles, nur dann bin ich unseriös. Ich kann nicht alles haben. Man könnte sich überlegen, wie man mit weniger Geld Maßnahmen ergreift, die die „Basis“, wie Sie es nennen, erweitern. Wo wir gerade beim Geld sind: Sie wollen Pro Familia die Unterstützung wegnehmen? Das stimmt nicht, der Haushalt 88 ist noch gar nicht beraten, und was Pro Familia angeht, ich bin für die Förderung und Unterstützung der Beratungstätigkeit. Ich bin allerdings strikt gegen ambulante Abbruchstationen. Ich bin dagegen, weil ich meine, daß Frauen in der Klinik viel besser sozial und psychisch betreut werden. Keine Frau treibt aus Jux und Dollerei ab, oder aus Leichtfertigkeit. Viele Frauen sind froh, daß sie nicht auch noch im Krankenhaus eingesperrt sind. Aber nicht, wenn die Frau von ihrer Umgebung gedrängt wurde, abzutreiben. Bei unserer Grundeinstellung zum § 218 gehe ich davon aus, daß wir keine weiteren Einrichtungen zur ambulanten Abtreibung haben werden. Das ist aber eine eindeutige Erschwerung von Abtreibung. Eine Erschwerung von Abtreibung sehe ich nicht. Da packen Sie mich an einer wichtigen Stelle, ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, Abtreibung zu erleichtern. Ich bin für die Indikationslösung, aber ich bin gegen Abtreibung. Z.B. der Druck durch den Partner und die Angst, sich vom Partner zu lösen, sind keine wirklichen sozialen Notlagen. Sie sind es nur subjektiv. Die Trennung vom Partner ist keine wirkliche Notlage, die rechtfertigt für mich nicht die Tötung werdenden Lebens. Mit solchen Positionen befinden Sie sich im Moment hier etwas in der „Höhle der Löwinnen“. Ihre Mitarbeiterinnen sind alle politisch aktiv in der SPD und bei den Grünen. Fürchten Sie nicht, daß davon ein bißchen abfärbt? Vielleicht verschieben sich Ihre Erwartungen und Vorstellungen. Ich hoffe, daß meine Art hier abfärbt. Ich bin ja hier in einer anderen Rolle, wir sind nicht auf gleicher Ebene. Ich sage den Referentinnen, was zu tun ist. Ich ver füge bei den Briefen, die kommen, wer den weiterbekommt und was zu machen ist. Fühlen Sie sich hier eigentlich akzeptiert? Ich fühle mich hier voll akzeptiert in meiner Rolle; das müssen sie ja auch. Der Umgang miteinander ist menschlich angenehm. Wir sind uns hier fair, mit anständigen Umgangsformen entgegengetreten und das hat sich schnell so normalisiert, daß wir wirklich nett miteinander sind. Aber Sie kooperieren nicht mit ihren Referentinnen? Natürlich werden wir gemeinsame Besprechungen haben, wenn wir neue Projekte und Themen bearbeiten wollen. Aber die letzte Entscheidung treffe ich. Ich nutze das Sachwissen meiner Referentinnen und berate mich auch einzeln mit ihnen. Ich wäre töricht, wenn ich das nicht machen würde. Aber darüber hinaus strebe ich eine Gruppe von Experten an, die konzeptionell mit mir weiterdenken in der nächsten Zeit. Wir wol len uns auf ein Programm konzentrieren, das wirklich die Realität von Frauen heute berücksichtigt. Nochmal zu Ihrer eigenen Realität und zur Behörde: Sie sind jetzt sechs Wochen hier. Sie haben ein Erbe übernommen. Man übernimmt damit aber auch die Fehler. Ich möchte wissen, was Sie, als Sie diese Behörde übernahmen, von ihr gehalten haben. Also, wie sie geführt wurde, dazu werde ich natürlich überhaupt nichts sagen. Ich stelle mich nicht hier hin und zähle die Fehler meiner Vorgängerinnen auf. Das ist überhaupt nicht mein Stil. Die Behörde als Einrichtung haben wir seit über zehn Jahren als Frauenvereinigung der CDU gefordert. Wir wollten immer mindestens eine Staatssekretärin, die direktes Vortragsrecht beim Ministerpräsidenten hat und ihm unmittelbar zugeordnet ist. Jetzt setzen Sie sich also ins gemachte Nest. Wir setzen uns ein wenig ins gemachte Nest, nur leider ist es nicht gemacht. Das hat aber nichts mit der Arbeit der Vorgängerinnen zu tun. Die waren ohnmächtiger als ich es jetzt bin, weil ich vom Status her einiges dazubekommen habe. Dies Haus hier ist eingerichtet worden wie ein Provisorium. Man hat es erst mal geschaffen, um zu sehen, wie man sowas überhaupt macht. Ich muß jetzt in meinem Kabinett durchsetzen, daß sich dies verändert, daß entsprechend ausgestattet wird. Z. B. sind wir ein regelrechter Wasserkopf, wir haben oben hohe Beamtinnen, Referentinnen, bekommen aber kaum Zuarbeit, wir brauchen Sachbearbeitung und Sekretärinnen. Es nutzt uns nichts, wenn hier kluge Frauen sitzen mit Utopien im Kopf, wenn es nicht auch Sachbearbeitung gibt, die sie gründlich durcharbeitet. Fortsetzung Seite 9 Fortsetzung von Seite 8 Sie sprechen von der Organisation, mir geht es aber um die Inhalte. Das war das eine, da haben Sie ja nach gefragt. Jetzt geht mein Kampf im Haushalt erstmal darum, daß das Haus in Ordnung gebracht wird. Das ist die Voraussetzung für alles, was ich an Themen nachher mache. Ist es nicht fürchterlich für Sie, so eine Nachfolge anzutreten, als einzige Fremde im Haus? Ich habe mir das schlimmer vorgestellt. Ich hab natürlich auch gedacht, mein Gott, da komme ich, ich war in der Opposition. Wir haben uns ja auch gekannt, ich hab die kritischen Fragen gestellt und sie angegriffen und jetzt muß ich mit den gleichen Frauen arbeiten. Ich hab mir gedacht, mit diesen Frauen ist es vielleicht besonders schwer. Ansonsten ist es in den anderen Häusern ja ähnlich, aber man braucht die Beamten nur an ihre Loyalität, an ihre Verpflichtung zu erinnern. Es braucht ja nur einen einzigen Fehler zu geben, und ich hätte eine Handhabe. Wenn ich die Illoyalität nachweisen kann ... Legen Sie es darauf an, Fehler zu finden? Aber es ist doch, so sie gemacht werden, meine Aufgabe, deswegen bin ich doch hier. Ich trage die politische Verantwortung für alles, was hier gemacht wird. Und meine erste Anordnung war, daß alles über meinen Schreibtisch läuft. Sie wirken sehr resolut, was haben Sie auf Ihrem politischen Werdegang von der Frauenbewegung gelernt? Wo sind Sie von der Frauenbewegung berührt worden? Das läßt einen ja nicht kalt. Natürlich nicht. Alles, was in den letzten Jahren auf diesem Feld gewachsen ist an Frauenengagement, Fraueninitiativen, hat uns Frauen in den Parteien, und da denke ich, daß das für alle Parteien Gültigkeit hat, im Grunde geholfen. Ich fühlte mich ja auch mitten drin in der Bewegung. Ich hatte keine allzugroße Distanz. Wir haben uns als Frauen innerhalb der Partei in der Frauenunion zusammengetan, und über Frauenthemen geredet. Dadurch haben wir immer das Gefühl gehabt, wir sind auch ein Teil der Frauenbewegung. Aber als CDU–Frau sind Sie sicher angegriffen worden. Da reagiert man doch mit Ablehnung drauf. Nein, eigentlich nicht. Diese Angriffe habe ich im Grunde so nicht erfahren. Diese Angriffe gelten ja eigentlich immer der Partei, und überall dort, wo wir aufgetreten sind, haben wir höchstens von den Frauen in der Frauenbewegung, die politisch andere Richtungen hatten, folgendes gehört: Ja, was ihr da wollt, die Ziele, die habt ihr mit uns gemeinsam, nur ihr könnt euch nicht durchsetzen. Das war dies Stück Ablehnung. Wir haben innerhalb der Partei intensiv gearbeitet auf Bundesebene, in Ausschüssen, in der Bundesfrauenvereinigung. Wir haben zehn Jahre gebraucht innerhalb der Partei, bis wir diesen Frauenparteitag in Essen vor zwei Jahren überhaupt haben konnten. Der ist nicht vom Himmel gefallen. Herr Geißler hat den damals nicht ins Leben gerufen, weil er sich das von heute auf morgen überlegt hatte, da steckte mehr als zehnjährige Arbeit der Frauen in der CDU dahinter. Wir meinten halt, wir bewegen in der Partei was, und das ist der richtige Ansatz, denn wenn wir was erreichen wollen, brauchen wir Macht. Woran merkt man denn. daß die Frauen in der CDU Macht haben? Sie haben nicht genug. Aber nur über diesen Weg, daß wir Macht bekommen, erreichen wir was. Macht bekommen wir in unserem Staat, wenn wir die Entscheidungen treffen und die Entscheidungen können wir nur treffen, wenn wir in der Regierung sind.

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