Parkplätze knapp

Bonn (taz) - Vorsichtig schleiche ich in meinem katalysatorfreien Altwagen um die Straßenecken bei der Bonner Gottfried Kinkel–Schule: zur Mitgliederversammlung des alternativen Verkehrsclubs in dieser Abgasschleuder ... Doch, sieh da: Die Parkplätze sind knapp. Ich enthülle kein Geheimnis: Immerhin 71 Prozent der VCD–Mitglieder fahren regelmäßig mit dem Auto, lese ich im Mitteilungsblatt des Clubs. Von der übrigen Bevölkerung unterscheiden sie sich vor allem durch ihr schlechtes Gewissen. Daß alles so aufs Auto bezogen ist, erzürnt auch diejenigen, die freimütig bekennen, daß ihnen die Fahrt zur Arbeit in der Bahn eben doch zu lange dauert. Mit ihrem Grundsatzprogramm schneiden sich die Autofahrer im VCD freiwillig ins ei gene Fleisch, besser gesagt: in den eigenen Reifen. „Stellplatzrestriktionen vor allem zu Lasten der Dauerparker des Berufsverkehrs“ werden da gefordert, und auch „Erhöhung der Kfz– und Mineralölsteuer“. „Man braucht eben selber einen gewissen Druck“, erklärt mir dazu ein West–Berliner, „wenn ich weiß, was das für ein Streß wird, dann lasse ich das Auto doch eher zu Hause.“ Jugendliche Konsequenz spricht dagegen aus einem 14jährigen Teilnehmer, mit Papa aus der Pfalz angereist: Er will erst gar keinen Führerschein machen, „wegen Waldsterben und so“. Derartige Abstinenz von der motorisierten Fortbewegung dürfte im VCD eher die Ausnahme sein. Doch daß sich sogar Motorradfahrer im Umweltclub organisieren, hat selbst den Vorstand überrascht. Im Club–Emblem, wo von der Straßenbahn bis zum Rollstuhl alle Fortbewegungsmöglichkeiten dabei sind, wurden die Motorräder glatt vergessen. Aber auch mit einer schweren Maschine zwischen den Schenkeln lassen sich Umwelt–Forderungen stellen. Die Motorradhersteller müssen dazu gedrängt werden, kleinere und leisere Maschinen herzustellen, klärt mich ein lederbehoster Hesse auf. In der schmucklosen Schulaula sitzen die 160 Teilnehmer eher fremd nebeneinander. Ginge es nicht so ruhig und gesittet zu, es könnte eine Versammlung der Grünen sein: Unter dem Tisch Birkenstock und verwandte Marken, draußen vegetarische Buletten. Das Rauchverbot, versteht sich von selbst, wird aber per Geschäftsordnung bekräftigt. Auf dem Tisch liegen Satzungsänderungen. Es dominieren die Mittdreißiger männlichen Geschlechts. Noch fehlen dem Verband die Basisstrukturen, der Club ist eine Bonner Zentrale mit Mitgliederkartei. Der erste Landesverband wurde gerade in Hamburg gegründet, Kreisverbände gibt es bisher nur in München, Münster und Mainz. Bewegung kommt denn auch in die ruhige Versammlung, als der Vorstand schon jetzt ein Delegiertenprinzip installieren will, während sich die Basis vor Ort noch gar nicht getroffen hat. Der Vorstand beharrt, wenn auch vergebens, argumentiert mit den Finanzen, man spürt das verzweifelte Bemühen, in der Zentrale alles in den Griff zu bekommen, während doch „unten“ noch alles unklar ist. Trotzdem mangelt es dem VCD nicht an hochgesteckten Zielen: Im Herbst sollen für ein neues Tarifsystem der Bundesbahn eine halbe Million Unterschriften gesammelt werden. Charlotte Wiedemann