: Der Anti–ADAC gibt kräftig Gas
■ Der alternative Verkehrsclub VCD wirbt um Mitglieder und eine andere Verkehrspolitik
Ein neuer Verkehrsclub will dem ADAC ans Leder und an die Mitglieder: der Verkehrsclub der Bundesrepublik Deutschland. Mit einem grünen Programm und billigem Service versucht der VCD, das ökologische und finanzielle Gewissen der linken Autofahrer zu mobilisieren. Für die ist meist nur die Überholspur links. Der Massenaustritt beim ADAC läßt auf sich warten. Dieser allerdings sieht die Konkurrenz gelassen entgegen. Am Wochenende traf sich der VCD zur Hauptversammlung in Bonn.
Berlin (taz) - Nach der Katholischen Kirche ist der ADAC der größte Verein in der BRD. Acht Millionen Mitglieder, Tendenz steigend. Seit einem halben Jahr hat die Münchner PS–Lobby einen aufmüpfigen Konkurrenten: den neugegründeten „Verkehrsclub der Bundesrepublik Deutschland“, der Anti–ADAC, wie Vorsitzender Helmut Röscheisen selbstbewußt formuliert. 4.000 Mitglieder, Tendenz: gewaltig steigend. Zum Jahresende erwarten die VCDler die zehntausendste Mitgliedskarte, die Traummarke liegt irgendwo bei einer runden Million. „Unser Potential ist riesig“, schwärmt Röscheisen. „Es besteht aus allen „umweltbewußten und vernünftigen Verkehrsteilnehmern.“ Und wer ist heutzutage nicht vernünftig? Der VCD ist kein Automobilclub, sondern ein Verkehrsclub. Er wendet sich nicht nur an Autofahrer, sondern explizit auch an Fußgänger, Radfahrer und die Benutzer von Bus und Bahn: „Die Windschutzscheiben–Perspektive ist nicht unsere Sicht der Dinge. Für Bleifüße und Betonköpfe sind wir nicht die richtige Adresse“, heißt es frech und rotumrahmt im Selbstportrait des Clubs. „Viel Sympathie, ja geradezu Begeisterung“ hat Röscheisen allenthalben für den neuen Club entdeckt. „Alle finden uns gut“, freut sich Dieter Drabiniok, einer von sieben Mitarbeitern in der Bundesgeschäftsstelle, aber „alle“ sind noch nicht eingetreten. Der Mitgliederpool ist bescheiden bis beschissen, trotz allem (Zweck?–) Optimismus. Die Sehnsucht nach einer Gegenstruktur zum ADAC rumorte schon seit Jahren. Immer wieder erwünscht, erwogen, angeschoben, waren dennoch alle Initiativen frühzeitig versackt. Im Februar 1986 nahmen dann vier Aufrechte aus den Umweltverbänden einen neuen Anlauf, im Juli wurde der VCD gegründet, im März 1987 stellte er sich auf einer ersten Pressekonferenz vor. Seitdem wird für „ein neues Kapitel in der Verkehrspolitik“ getrommelt. Die Geschäftsstelle mit EDV–Anlage steht, die Versicherungspartner sind engagiert. Das Programm des VCD liest sich wie ein gut gemachtes Info– Heft der Bürgerinitiativen. Allerdings wird mit dem Auto freundlicher umgegangen. „Unsere Position zum Auto“, meint der vorsitzende Röscheisen elegant, „ist ein bissel ambivalent, aber doch klar genug.“ Die Reduzierung des motorisierten Verkehrsaufkommens sei jedenfalls oberster Satzungsauftrag. Pressesprecher Harry Assenmacher ist ehrlich genug zuzugeben, daß auch beim alternativen Verkehrsclub die mei sten Mitglieder Autofahrer sein werden, die nicht auf ihr Gefährt verzichten wollen. „Eine radikale Fahrradpolitik ist also nicht zu erwarten und auch nicht erwünscht.“ Stattdessen wird der umweltbewußte, nachdenkliche Autofahrer zur eigenen Klientel gerechnet und gezielt angesprochen: „Sie ärgern sich, wenn Sie bei vernünftiger Fahrweise von hinten angehupt werden. Sie sind beim Autokauf sauer, weil es immer noch keine Autos gibt, die wirklich leise, verbrauchsarm, stadt– und umweltfreundlich sind. Stattdessen werden immer noch überzüchtete Autos nach dem Dinosaurier–Konzept produziert: viel Power, wenig Hirn. Viel zu schnell, viel zu groß, viel zu durstig und viel zu laut. Vielleicht sind Sie irgendwann aus Service– Gründen einem Autoclub beigetreten. Und nun ärgern Sie sich über dessen beton– und autobesessenen Tiraden...“ Damit sind wir wieder beim ADAC, dessen „verhängnisvollen Einfluß“ der VCD bekämpft. Aber: „Wir sind kein Konkurrent, sondern die Alternative zum ADAC“, unterscheidet Dieter Drabiniok feinsinnig. Wie auch immer: Der VCD definiert sich vorwiegend als ökologisch orientierter Gegenpart zur übermächtigen Münchner Konkurrenz. Alternativ geht viel schief, unkt die Szene, und so muß sich auch der VCD mit einem für ihn ungesunden Mißtrauen derjenigen herumschlagen, die einst zwar mit blutigem Herzen dem ADAC beigetreten sind, aber nun den „Neuen“ noch nicht über den Weg trauen. Dabei möchte der VCD unbedingt als seriöser, professioneller Verkehrsclub mit vollem Service–Angebot ernst genommen werden. Wer nur beim ADAC Mitglied ist, um nach einer Panne vom gelben Engel gerettet und abgeschleppt zu werden, wer auf den Schutzbrief für In– und Ausland scharf ist, der kriege dasselbe und sogar billiger beim VCD, versichert Röscheisen. Als Gegenstück zum gelben kann der VCD allerdings keinen grünen Engel an den Autobahn– Pisten stationieren. Wer mit einer Panne liegenbleibt, soll stattdessen jeden beliebigen Abschleppdienst anrufen, „die Rechnung zu uns schicken, basta“, empfiehlt die Geschäftsstelle. Aber auch der ADAC ist im „Ernstfall“ zur Hilfe verpflichtet. Sein Pannenservive muß dann der VCD bezahlen. Der VCD wirbt damit, alle zentralen Service–Leistungen der anderen Clubs „absolut vergleichbar“ im Programm zu haben bei einem jährlichen Grundbeitrag von 35 Mark (ADAC: 62 Mark). Als spezieller Hit wird ein Rechtsschutz für Nichtmotorisierte angeboten, vor allem für Fußgänger und Radfahrer, die im Verkehr überdurchschnittlich gefährdet sind. Was steht sonst im Service– Katalog: eine kostenlose Verkehrsberatung z.B. für Initiativen zur Verkehrsberuhigung, für Tempo 30, Fußgängerzonen etc., eine Club–Zeitung und die Selbstverpflichtung, sich politisch einzumischen. Dazu brauchts aber deutlich mehr Mitglieder, um in der Me dienlandschaft Beachtung zu finden. Mit seinen bisherigen Stellungnahmen schreckte der Verband eher die eigenen Mitglieder auf als den Verkehrsminister. In der Forderung nach verschärften Promille–Grenzen witterten einige VCDler prompt den Polizeistaat. Röscheisen bekennt sich indes ausdrücklich zur Polizei: „Du brauchst halt eine Ordnungsmacht im Verkehr.“ Auch im Streit um die österreichischen Maut–Gebühren scherte der VCD aus und zeigte Verständnis für den Obulus der Autofahrer. Die übrigen verkehrspolitischen Forderungen sind zumindest bei den eigenen Mitgliedern weniger umstritten: die grüne Palette vom Tempolimit bis zum Umweltabo im öffentlichen Nahverkehr. Der alte Traum vom Nulltarif ist auch beim VCD ausgeträumt. Starthilfe hat der „grüne“ Verkehrsclub von einer ganzen Reihe von „Prommis“ - von Rene Böll bis Otto Schily - erhalten, doch bisher ziert sich der VCD noch, das von vielen Kampagnen bekannte links–alternative Unterschriften–Kartell als Werbetruppe vorzuschicken. Er will mit Inhalten und nicht mit Namen werben. Warum nicht beides? Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen