Mit der Kronkolonie auf Du und Du: Boom vor Übergabe
■ Bislang keine Angst beim Hongkong–Kapital vor 1979
Am 30. Juni 1997 ist es soweit: Hongkong wird von der britischen Krone vertragsgemäß an China abgetreten. Für seine sechs Millionen Einwohner momentan kein Grund zur Aufregung, offenbar auch nicht für die Finanzmagnaten unter ihnen. Sie setzen darauf, daß der kapitalistische Sinn der Volksrepublikanischen Wirtschaftslenker - für deren Ausprägung der Empfang der hochrangigen Wirtschaftsdelegation um Kohl Beweis ist - verhindern wird, daß die Hochhausstadt in Volkskommunen für Heere blauer Ameisen aufgeteilt wird. Gerade als Bindeglied zum westlichen Weltmarkt leistet sie in jüngster Zeit immer bessere Dienste für China. Über 400 chinesische Firmen haben sich hier etabliert, 20 Prozent des Bankensektors arbeitet bereits heute unter der Kontrolle Pekings. Und der hat es in sich: Hinter London und New York gilt die Kolonie mit 100 Milliarden Dollar täglichem Finanzvolumen als die weltweite Nr. 3 der Finanzplätze, außerdem werden hier täglich Devisen im Wert von 30 Milliarden Dollar umgeschlagen. An Wirtschaftswachstum werden für das laufende Jahr acht Prozent angepeilt - für europäische Wachstumsfanatiker eine Traummarge. Entscheidend dürfte hierbei die 25prozentige Abwertung sein, die der Hongkong–Dollar seit Anfang 1986 gegenüber den wichtigsten anderen Währungen erfahren hatte, das bringt den Export auf Touren - weltweit an die 15. Stelle. Ergebnis: Die Börse in Hongkong boomt mal wieder. Trotz alledem schaffen viele der Allerreichsten unter den Kronkolonisten zur Zeit ihr Geld außer Landes, sie lassen nur ihr „Spielgeld“ vor Ort, wie es der Platow–Brief nennt. Das steht nur oberflächlich im Widerspruch zu den massenhaften Investitionen, die im Lande getätigt werden. Das Geld für diese Einsätze erwarten Hongkong– Magnaten eben in drei bis vier Jahren zurück, man rechnet nicht in Jahrzehnten wie es der europäische Mittelstand pflegt. ulk
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