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Reemtsma: Vom Senat „verarscht“

■ Dohnanyi wollte den Mäzen zum Räumen von Betonpollern anstellen, der Innensenator ihn zum Bulldozer–Begleiter machen / Reemtsma: „Ich bin kein dienstbarer Geist solcher Paranoia“ /

Aus Hamburg Kai von Appen

Wie ein Bombe schluß am Mittwoch abend in Hamubrger Rathaus der Brief des Sozial– und Polit–Mäzens Jan Philipp Reemtsma ein, in dem er mitteilte, daß er von seinem Kaufangebot der umstrittenen Hafenstraße–Häuser zurücktritt. Reemtsma: „Die Grenze des Zumutbaren ist überschritten.“ Reemtsmas Entscheidung lag ein sechswöchiges Verhandlungs–Hick–Hack zugrunde, das er zuletzt nur noch als „Verarschung“ titulierte. Das Verhalten des Senats gipfelte am Dienstag in dem Verlangen, Reemtsma solle sich in den Konflikt um die vor den Häusern angebrachten Betonpoller einmischen und auf die BewohnerInnen mäßigend Einfluß nehmen. Reemtsma: „Um einige Zementblöcke von den Häusern entfernen zu können, ohne den Widerstand der Bewohner zu riskieren, trug Innensenator Pawelcyk an mich heran, den Bulldozer persönlich zu begleiten, ob als Kugelfang oder wie eine Geisel, blieb unausgesprochen.“ Als Reemtsma dies zurückwies, kam Dohnanyi auf die Idee, Reemtsma selbst und die Mitglieder des „Komitee zur Verteidigung der Hafenstraße“ mögen die Klötze mit dem Preßlufthammer abtragen. „Wer wegen einiger Zementklötze Hubschrauber in die Luft aufsteigen läßt und Polizeieinsätze androht, läßt jede Spur von Souveränität und Seriosität vermissen, die für die vorgeschlagene Lösung Voraussetzung wäre“, so der Mäzen. Reemtsma weiter: „Die Bewohner der Häuser der Hafenstraße zeigen größere politische Um– und Weitsicht als der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Senat mag sich weiter mit Behauptungen wie der zum Gespött machen, einige Zementblöcke gefährden die Sicherheit Hamburgs; er irrt sich jedoch, wenn er darauf spekuliert, wir wären als dienstbare Geister solcher Paranoia zu demontieren.“ Für Reemtsma haben die Erfahrungen der letzten Tage und die „Beinahe–Schlacht“ am Hafen gezeigt, daß auch nach einer Übernahme der Häuser die Hafenstraße weiterhin zur Zielscheibe rechter SPD–Kreise und der Polizei erklärt würde. Reemtsma: „Selbst wenn es zu einem positiven Ende der Verhandlungen käme, würden jene Kräfte, die zur Zeit alles versuchen, um sie scheitern zu lassen, indem sie den Senat bewußt falsch informieren über das, was in der Hafenstraße vorgeht, auch in Zukunft alles tun, um ein Modell selbstbestimmten Wohnens am Hafen zu schädigen oder unmöglich zu machen.“ Und das Reemtsma mit seiner Einschätzung Recht hat, zeigte auch der bisherige Verlauf der Verkaufsverhandlung. Bekanntlich hatte der Mäzen sein Modell der „Entstaatlichung des Konfliktes Hafenstraße“ unmittelbar vor der Hamburger Bürgerschaftswahl unterbreitet, nach dem seine Bemühungen, in einer sechsköpfigen Vermittlergruppe eine staatliche Lösung zu finden, am Veto des Senats gescheiter waren. Während der um die Macht bangende SPD–Miderheitensenat das Angebot anfangs als „realistisches Lösungsmodell“ feierte, setzte sich nach der Wahl zusehends die kompromißlose Linie um Innensenator Pawelcyk durch. Trotz anderslautender Verhandlungsergebnisse legte der Senat einen Vertragsentwurf vor, in dem der Stadt ein einjähriges Rückkaufrecht eingeräumt werden sollte, sofern Reemtsma eine „Befriedung“ der Hafenmeile a la Herbergsvater mißlänge.

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