: Kaum politische Kultur in Panama
■ Langsam bildet sich eine politische Kraft heraus, die sowohl gegen die Militärs als auch gegen den US–Einfluß Stellung bezieht / Die Oppositionsrolle der Christdemokratischen Partei gegen die „Revolutionär–Demokratische Partei“ (PRD) der Militärs wird durch die Konrad–Adenauer–Stiftung unterstützt
Von Ralf Leonhard
Panama–Stadt (taz) -Große Demonstrationen erschütterten Panama in den letzten Wochen. Wer steht in Panama eigentlich wo? Die USA werfen dem panamaischen General Noriega Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Mord vor. General Noriega bezichtigt die USA der imperialistischen Einmischung. Streiks und Demonstrationen gegen Noriega führten zur Ausrufung des Ausnahmezustands. Andere Demonstrationen forderten den Rausschmiß des US–Botschafters und stützten die Regierung. „Das Volk ist enttäuscht von der falschen Opposition“, urteilt Raul Rodriguez, Jurastudent und Mitglied des Exekutivausschusses der „Revolutionären Studentenfront 29.November“ (FER–29), „wir vertreten eine Position, die von denen der bourgeoisen Allianzen der Regierungskoalition UNADE und dem Oppositionsbündnis ADO unabhängig ist.“ Seine Organisation, die sich auf den Revolutionär Floyd Britton beruft, der am 29.November 1969 auf der Sträflingsinsel Coiba ermordet wurde, setzt sich für eine „Alternative des Volkes“ ein. Rodriguez räumt allerdings ein, daß die bestehenden Volksorganisationen noch keine solche Alternative entwickelt hätten: „Die Aufbauarbeit ist schwierig und langsam.“ CONATO, der „Nationale Rat der organisierten Arbeiter“, hat schon etwas konkretere Vorstellungen von der „Alternative des Volkes“. Alvaro Munoz, der Generalsekretär des Dachverbandes, dem unter anderen die einst regierungstreue Gewerkschaftszentrale CTRP und die katholisch progressive CATI angehören, wünscht sich einen Dialog „zwischen allen lebendigen Kräften des Landes“. Er macht sich allerdings wenig Illusionen, daß bei der Lösung der herrschenden Krise die Interessen der Arbeiter berücksichtigt werden. Nach der brutalen Niederschlagung der Protestbewegung im Anschluß an die arbeiterfeindlichen Reformen im März 1986 tauchte erstmals die Forderung nach einer gemeinsamen Front der ungehörten Mehrheit auf: einer „Volksfront“. Mittelfristig würde sich ein derartiges Bündnis, das soziale und anti–imperialistische Politik auf seine Fahnen schreiben wird, auch zu Wahlen stellen. Auf den ersten Blick wirkt die Parteienlandschaft Panamas verwirrend: Nicht weniger als 19 Gruppierungen - die meisten aus Spaltungen hervorgegangen - wollen sich bei den Wahlen 1989 um Sitze im Parlament bemühen. Die zehn Jahre von 1968 bis 1978, in denen der populistische General Omar Torrijos ohne Parlament und legale Opposition regierte, haben die politische Kultur in einem Land, in der eine solche ohnehin kaum vorhanden war, nicht gerade zum Erblühen gebracht. Die traditionellen Parteien waren verboten, die linken wurden gewaltsam zerschlagen. Als Torrijos, dem selbst seine Gegner ein intuitives Verständnis für die Probleme des einfachen Volkes bescheinigen, die demokratische Öffnung einleitete, mußte er seine eigene Partei gründen. 1978 wurde die „Revolutionär–Demokratische Partei“ (PRD) aus der Taufe gehoben: Dabei stützte sich der General vor allem auf die öffentlichen Angestellten und einen Flügel der Kommunistischen Partei, die sogenannte „Tendencia“. Pate standen der costaricanische Sozialdemokrat Daniel Oduber und die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE). Vor wenigen Monaten erst wurde die PRD, die bis dahin Beobachterstatus gehabt hatte, als Vollmitglied in die Sozialistische Internationale aufgenommen. Wie alle Sozialdemokraten Lateinamerikas mußte sie jedoch die Erfahrung machen, daß soziale Politik bei gleichzeitiger Weiterentwicklung des Kapitalismus nicht lange möglich ist. Vor allem, als Ende der 70er Jahre die allgemeine Rezession einsetzte, gab es nicht mehr viel zu verteilen. Von der populistischen Politik ist wenig mehr geblieben als die anti–imperialistische Rhetorik, mit der es Torrijos einst gelang, die Kanalverträge, die den USA ein Interventionsrecht über die Jahrtausendwende hinaus zusichern, als patriotischen Erfolg zu verkaufen. Als die Wahlen 1984 herannahten - Torrijos war drei Jahre vorher Opfer eines mysteriösen Flugzeugabsturzes geworden - suchte die PRD Alliierte und fand sie vor allem zu ihrer Rechten. Kommunisten und undogmatische Linke, die die populistische Politik des Generals im allgemeinen unterstützt hatten, wurden als nicht salonfähig betrachtet. Mit fünf Mitte– bis Rechtsparteien schloß sich die PRD zur „Nationalen Demokratischen Union“ (UNADE) zusammen, die sich - mit weniger als 2.000 Stimmen Vorsprung - in Wahlen, in denen auf beiden Seiten heftig geschoben wurde, gegen die Oppositionsallianz ADO durchsetzte. Die PRD selbst wurde mit rund 27 Prozent zweitstärkste Partei. Im Vorjahr verabschiedete die Regierung ein Paket von Gesetzen, das die staatliche Abnahmegarantie für landwirtschaftliche Produkte beseitigt und damit viele Kleinbauern gegenüber ausländischen Billigimporten wehrlos macht und die Kleinindustrie durch Aufhebung protektionistischer Maßnahmen ruiniert. „Diese von Internationalen Währungsfonds und der Weltbank diktierten Maßnahmen wurden mit den Bajonetten der Streitkräfte durchgesetzt“, kommentiert Alvaro Munoz vom Arbeiterdachverband CONATO. Bei den darauffolgenden Demonstrationen wurde der Bauarbeiter Yito Barrantes getötet. Der Fall ist von der Staatsanwaltschaft nie ernsthaft untersucht worden. Die PRD stützt sich heute nicht nur auf die Nationalgarde, die sie eigentlich in der politischen Macht ablösen sollte, sondern auch auf bewaffnete Schlägertrupps, wie sie in der Ära vor Torrijos von allen Parteien eingesetzt wurden. Ihre Basis hat die Partei nach wie vor unter den rund 140.000 Staatsangestellten, immer weniger unter den einst regierungstreuen Gewerkschaften. Die Opposition schart sich um die Figur des 86jährigen Arnulfo Arias Madrid, der in seiner langen politischen Laufbahn dreimal von Militärs gestürzt worden ist. Seine Partei, die „Authentisch Panamenistische“ (PPA) ging aus den Wahlen 1984 mit 34,5 Prozent aller Stimmen als die stimmenstärkste hervor. Arias, der während des Dritten Reiches mit Hitler sympathisierte, ist ein Volkstribun alten Stils, der zwar zu den größten Kaffeeplantagenbesitzern zählt, aber es versteht, mit dem einfachen Volk zu reden. Der Mann, der gerne die Korruption der herrschenden Regierung anprangert, hat einst mit öffentlichen Geldern eine Straße zu seiner Hacienda bauen lassen; Geldern, die vom Bananenmulti United Brands für den Schutz vor „kommunistischen“ Arbeitern gestiftet worden waren. Da der greise und inzwischen merklich verkalkte Caudillo es versäumt hat, einen Nachfolger aufzubauen - sein zweiter Mann sitzt als Bankier in Miami - werden eifrig Pläne für die Zeit nach Arias geschmiedet. Man rechnet mit dem Zerfall der Partei nach dem Hinscheiden des mehrfachen Ex–Präsidenten. Denn ein Flügel der „PPA“ liebäugelt mit einer Koalition mit der „PRD“. Der Mann, der in das Vakuum drängen würde, heißt Ricardo Arias Calderon und ist mit Arnulfo nicht verwandt. Der kultivierte Mittfünfziger, der an der Sorbonne und in Yale antike und mittelalterliche Philosophie studiert hat und heute einen Lehrstuhl an der Universität von Panama innehat, ist der Chef der Christdemokratischen Partei, die 1984 - mit sieben Prozent der Stimmen weit abgeschlagen - zur dritten Kraft wurde. Er bezeichnet seine Partei als die am besten organisierte von allen, die als einzige „den systematischen Versuch macht, eine moderne Partei zu werden“. Dies sei ihr nicht zuletzt dank der Kaderschulungen der Konrad–Adenauer–Stiftung gelungen, deren Bildungsinstitut jährlich von rund 1.500 Personen absolviert werde. Obwohl Arias persönlich eine relativ pragmatische Einstellung zum Zentralamerikakonflikt hat, weisen Torrijisten wie Linke zu Recht darauf hin, daß die Opposition an der Macht das Ende der Contadora–Friedensinitiative bedeuten würde. Denn einige der Koalitionspartner sind eng mit den nicaraguanischen Contras verstrickt. La Prensa, die Zeitung des Industriemagnaten Roberto Eisenmann zum Beispiel, bringt regelmäßig ein Propagandablatt der Contra als Beilage. Andere werben über ihre Radiosender für die die Sache der Antisandinisten oder sind an Banken beteiligt, die Waffenkonten für die Rechtsrebellen eingerichtet haben.
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