Kaum Chancen für Opposition in Indien

■ Bei den indischen Präsidentschaftswahlen hat der Kandidat des Premierministers Rajiv Ghandi die besten Aussichten / Talfahrt Ghandis ist vorübergehend gebremst / Korruptionsvorwürfe und autoktatischer Führungsstil hatten das positive Image Ghandis beschädigt

Aus Madras Biggi Wolf

Der indische Premierminister Rajiv Ghandi, der es geschafft hat, in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit mit atemberaubender Geschwindigkeit sein Image als „Liebling der Nation“ und „Mister Saubermann“ zu ruinieren, kann erst einmal aufatmen: Bei der Wahl des Staatspräsienten, die gestern begann, hat sein Kandidat, der bisherige Vizepräsient des Parlaments Ramaswamy Venkataraman, gute Aussichten auf Erfolg. Seit Montag wählen die fast 4.700 Abgeordneten der beiden Kammern des Unionsparlaments in einem komplizierten Verfahren den Nachfolger des 71jährigen Zail Singh, dessen fünfjährige Amtszeit Ende Juli ausläuft. Mit dem Ergebnis wird erst am Donnerstag gerechnet. Die Opposition hat, sehr zur Erleichterung Ghandis, den ehemaligen Obersten Richter Krischna Iyer als Gegenkandidaten nominiert. Präsident Singh, der seit Monaten wegen ihm vorenthaltener Informationen über wichtige Regierungsangelegenheiten mit dem Premierminister im Clinch liegt, hätte als Kandidat der Opposition auch eine große Zahl von Stimmen aus dem Lager von Ghandis Kongress–I–Partei abgezogen. Damit wäre nicht nur die Wahl von Ghandis Favoriten, sondern auch die Position des Premiers ernstlich gefährdet gewesen. Beim Amtsantritt Ghandis nach der Ermordung seiner Mutter Indira Ende 1984 hatte er als Alternative zu den traditionell korrupten indischen Politikern gegolten. Heute, so die Ergebnisse einer Meinungsumfrage sind 65 Prozent der Bevölkerung überzeugt, daß im Zusammenhang mit verschiedenen Rüstungsgeschäften Korruptionsgelder in Millionenhöhe an die regierende Kongress partei und, wenn nicht an Ghandi selbst, dann zumindest an enge Vertraute des Premiers geflossen sind. Nicht nur die Korruptionsvorwürfe, sondern auch der zunehmend autokratische Führungsstil Ghandis, den die Abgeordneten der Kongress–Partei direkt zu spüren bekamen, führte dazu, daß sie sich seit Beginn des Jahres zunehmend um den Kontrahenten Singh scharten. Während sich Oppositionsparteien und Kongress–Dissidenten im Präsidentschaftspalast noch die Klinke in die Hand gaben, um Singh zu einer weiteren Kandidatur zu bewegen, spielte sich hinter den Kulissen ein Akt ab, der bezeichnend für den Zustand der zerstrittenen Opposition ist. Die beiden kommunistischen Parteien CPI und CPI (Marxisten) machten, ganz offensichtlich mit Weisung aus Moskau, deutlich, daß sie eine Kandidatur Singhs nicht unterstützen würden. Statt dessen schlugen sie Iyer als Kandidaten vor. Um Singh, der ohne die Stimmen der CPI/CPI(M) keine Chance hätte, eine Niederlage zu vermeiden, schlossen sich die anderen Parteien der Nominierung Iyers an, der jedoch kaum Stimmen aus dem Lager der Kongress– Partei wird abziehen können.