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Gespannte Lage in der Hafenstraße

■ Alle Wohnungen seit Sonntag wieder besetzt / Vorkehrungen gegen angekündigte Räumung

Von Kai von Appen

Hamburg (taz) - BewohnerInnen der umstrittenen Häuser in der Hamburger Hafenstraße haben am Sonntag 18 im letzten Jahr von der Polizei geräumte Wohnungen wiederbesetzt, so daß nun wieder der gesamte Hafenstraßenkomplex in den Händen der Besetzer ist. Bis Redaktionsschluß ist es noch nicht zu der vom Innensenator Pawelczyk bereits im Vorfeld der Besetzung angekündigten Räumung gekommen. „Mit der Wiederbesetzung und der sich darauf beziehenden Solidarität wollen wir den Senat zwingen, endlich - öffentlich und verbindlich - seine Räumungs– und Abrißlinie des letzten Jahres aufzugeben“, heißt es in einer Erklärung der Hafenstraßler. Am Samstag hatten sie mit der tatkräftigen Unterstützung von Mitgliedern der GAL–Fachgruppe Betrieb und Gewerkschaft sowie der Friedensinitiative „Handwerker für den Frieden“ die letzten umfangreichen Renovierungsarbeiten zum Schutze der Häuser vor dem befürchteten Sturm abgeschlossen. Während gestern morgen um 10 Uhr Tausende von Fischmarktbesuchern noch staunend den in der gesamten Republik bekannten Gebäudekomplex begutachteten, rasteten in den Häusern sämtliche Sicherheitsvorkehrungen gegen einen möglichen Überraschungseinsatz der Polizei ein. Fortsetzung auf Seite 2 Im Laufe des Tages versammelten sich mehrere hundert Menschen, um sich mit der Aktion zu solidarisieren und an der Sicherung der Häuserzeile teilzunehmen. Die gespannte Lage am Hafen vermag in Hamburg niemanden mehr zu überraschen. Spätestens seitdem der Senat den um eine „Entstaatlichung“ des Konfliktes bemühten Polit–Mäzen Jan Phillip Reemtsma durch einen angedrohten Polizeieinsatz in den Häusern vor einem möglichen Kauf der Gebäude abschreckte und auch das von Reemtsma und dem „Komitee zur Verteidigung der Hafen straße“ vorgelegte Stiftungsmodell ablehnte (wir berichteten), war klar, daß die BewohnerInnen nicht tatenlos ihrer drohenden Räumung entgegensehen würden. „Wir warten nicht wie das Karnikel auf die Schlange“. Zwar beteuerte der Senat immer wieder, daß er „alternatives Wohnen am Hafen gewährleisten“ wolle, andererseits sammelte er aber weitere Räumungstitel für die seit Jahren verfochtene Räumung der Gebäude. Die Hafenstraßler: „Erst nach Erfüllung dieser Forderungen (Rücknahme aller Räumungstitel, Garantie für den Erhalt) sind Verhandlungen über eine Vertragslösung vorstellbar. Alles andere sind Scheinverhandlungen, bestenfalls ein Diktat des Senats mit der Räumungs– und Abrißpistole an unserem Kopf. Will der Senat eine Verhandlungslösung, so kann er diese Forderungen problemlos erfüllen.“ So sieht es auch ein Kreis Hamburger Persönlichkeiten, die sich vergangene Woche in der „Patriotischen Gesellschaft“ getroffen hatten und per Hubschrauberflug Bürgermeistert Klaus von Dohnayi eine Resolution in sein Urlaubsdomizil auf Sylt überbrachten. In dieser Erklärung meinten die 13 Prominenten, daß es sich bei der „Wiederbesetzung“ lediglich um eine Vorwegnahme des vom Senat gewollten Zustandes“ handele, sofern seine Erklärungen ernst gemeint seien. Wann es zu einem Polizeieinsatz gegen die BewohnerInnen kommt, ist offen. Nach einem Vermittlungsversuch des „Hafenstraßen–Komitee“ weigerte sich Dohnanyi zwar einerseits, eine „Gewaltverzichtserklärung“ abzugeben, in dem er schrieb: „Sollte es zu den angekündigten rechtswidrigen Aktionen kommen, behält sich der Senat die Wahrnehmung seiner rechtlichen Möglichkeiten als Eigentümer vor.“ Anderseits hielt sich der Senatsvorsteher ein Hintertürchen offen, um die Wiederbesetzung trotzdem dulden zu können: Dohnanyi: „Wenn der Senat trotzdem weiterhin den Weg einer friedlichen Lösung (...) verfolgt, so tut er dies zugunsten von Frieden und Sicherheit in unserer Stadt.“

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