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„Relativ große Gemeinsamkeiten“

■ Debatte um rot–grünes Bündnis in Berlin eröffnet / Ziel ist die Ablösung der CDU/FDP–Koalition 1989 / ALer fordern „gestalten wollende Politikoption“ der Regierungsbeteiligung / „Klima der Ignoranz verändern“

Von Benedict M. Mülder

Berlin (taz) - Was tun, wenn der Wahltag im Frühjahr 1989 kommt? In Beiträgen für die Berliner Ausgabe dieser Zeitung haben heute ein Mitglied der Alternativen Liste, Peter Sellin (MdB), und ein Mitglied im SPD–Landesvorstand, Norbert Meisner, die „bündnispolitische Debatte“ eröffnet. Meisner gehört zum „linken Flügel“ seiner Partei, Sellin zum realpolitischen. Dennoch wird auch von den Fundamentalos an der Spree (bis auf Dieter Kunzelmann, der der AL eine Parlamentspause von vier Jahren empfahl) kein Widerspruch kommen, wenn Sellin feststellt: „Die Erkenntnis, daß das pure fundamentale Politikverständnis in eine kräftige Wahlniederlage führt, wenn nicht die gestalten wollende Politikoption der Mitübernahme von Regierungsmacht angestrebt wird, hat dazu geführt, daß sich die AL–Berlin für ein Bündnisangebot an die SPD entscheiden wird.“ Auch für Norbert Meisner steht fest: „Politisch und rechnerisch sind die beiden Oppositionsparteien die Alternative zur Koalition.“ Er weist daraufhin, daß SPD und AL „schon heute bei ca. 90 Prozent der Abstimmungen das gleiche Votum abgeben“. Gleichwohl kommt er zu dem Schluß, daß solche Optionen deshalb noch lange nicht für die Zusammenarbeit auf Regierungsebene ausreichend sein dürften. Schärfer als Sellin stellt er die Frage nach der Identität der SPD, aber auch der AL und den nötigen Kompromissen. Die SPD werde nicht auf einen Teil ihrer Mitgliedschaft und ihrer Wähler verzichten können. „Wer dies rät“, so Meisner, „will auch nicht den Senat ablösen.“ Von der eigenen Partei verlangt er ebenso den Willen „zur Konzentration auf das Wesentliche“. Zwar sieht er eine ganze Menge inhaltlicher Unterschiede, aber wenig Unvereinbarkeiten. „Was in der AL zur NATO gedacht wird, ist mir schnurzegal“, betont der friedenspolitische Sprecher der SPD. Allerdings habe die AL bei einem Eintritt in die Koalition den Staat auch dort zu vertreten, wo er den Anspruch auf das Gewaltmonopol erhebt. Den jüngsten Streitpunkt zwischen den Parteien, der Übernahme des Bundesgesetzes zur Aufhebung der Mietpreisbindung, hält Meisner in einer Koalition für „nicht mehr tragbar“. Bevor Sellin die „relativ großen Gemeinsamkeiten und gravierenden Unterschiede“ aufzeigt, stellt er mit Recht fest, daß „ohne Aufbruchstimmung“ der eher lethargischen „Oppositionskultur“ gegen die „Hegemonie der CDU“ in der Stadt gar nichts läuft. Übereinstimmungen zwischen den Parteien sieht Sellin in der Bau–, Hochschul– und Sozialpolitik, Differenzen in der Innen–, Wirtschafts– und Finanzpolitik. Aber er verlangt von der AL, daß sie lernen muß, die Verletzung von Basisinteressen hinzunehmen. Das sei jedoch nicht gleichzusetzen mit der Aufgabe von Grundüberzeugungen. Beide Parteivertreter kündigen an, auf Veranstaltungen und in Streitgesprächen das bisherige Klima der wohlwollenden, wenn nicht gar feindlichen Ignoranz verändern zu wollen.

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