: Portugal: Die Mehrheit steht rechts
■ Die bürgerliche Partei von Regierungschef Cavaco erreichte bei den Parlamentswahlen die absoltute Mehrheit / Die Linke verliert erstmals seit 1976 ihre Wählermehrheit stark / Nur Sozialisten legen leicht zu / Hauptverlierer ist Ex–Präsident Eanes mit seiner Partei
Aus Lissabon Sergio Rodrigues
Die vorgezogene Parlamentswahl in Portugal hat der bisher regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) von Ministerpräsident Anibal Cavaco Silva einen überwältigend hohen Sieg gebracht. Die PSD, die von der Sozialistischen Internationale nicht anerkannt wird, wuchs von knapp 30 Prozent auf 50,2 Prozent der Stimmen. Damit verfügt sie als erste Partei seit 1976 mit mindestens 145 Abgeordneten über eine absolute Mehrheit bei den 250 Sitzen im Parlament. Als erster Regierungschef seit 1976 könnte Cavaco eine volle Amtszeit von vier Jahren durchstehen. Erstmals seit 1976 verlieren zugleich die Linken ihre - politisch fast nie zum Tragen gekommene Wählermehrheit. Auf der Linken konnte sich nur die Sozialistische Partei (PS) auf 22,2 Prozent leicht verbessern und die Zahl ihrer Mandate um zwei auf 59 erhöhen. PS–Generalsekretär Vitor Constancio wertete dieses Resultat dennoch als „relative Niederlage“, weil es weit hinter den PS– Hoffnungen zurückbleibe. Auch das neugegründete Bündnis aus Kommunisten und Grünen, (CDU) verfehlte seine selbstgesteckten Ziele, den Sieg über die Rechte und Erhalt der linken Mehrheit. Das Bündnis kam auf 12,2 Prozent und 31 Mandate - gegenüber 15,5 Prozent und 38 Mandaten, die 1985 das Vorgängerbündnis APU errungen hatte. Sogar in zwei traditionell roten Distrikten des Südens fiel die CDU hinter Cavacos PSD zurück. Hauptverlierer der Wahl ist die erst 1985 gegründete Erneuerer– Partei (PRD), Initiator des Mißtrauensvotums vom April, das zum Sturz von Cavacos Minderheitskabinett geführt hatte. Die kleinbürgerliche Sammlungspartei PRD verstand es offenbar nicht, sich gegenüber PS und PSD als eigenständige Kraft zu profilieren und fiel nach ihrem 1985er Vertrauensvorschuß von 17,9 auf nunmehr 4,7 Prozent zurück. Sie verliert damit 38 von bisher 45 Mandaten. Am Montag kursierten Spekulationen um einen Rücktritt ihres Führers, des Ex–Staatspräsidenten Ramalho Eanes. Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4 Als möglich gilt auch ein Rücktritt von Adriano Moreira, Chef des Demokratisch–Sozialen Zentrums (CDS), das größtenteils von Cavacos PSD absorbiert wurde. Es fiel von zehn auf 4,4 Prozent und behält nur vier von bisher 32 Parlamentssitzen. Regierungschef Cavaco sah den Erfolg als Zeichen breiter Zu stimmung zur „positiven Politik“ seiner Regierung. Hingegen wertete KP–Generalsekretär Alvaro Cunhal die absolute PSD–Mehrheit als „gefährlich für die portugiesische Demokratie“. PRD– Vorstandsmitglied Carlos Lilaia befürchtete eine Verlagerung wichtiger Entscheidungen vom Parlament auf die Regierung. In der Wahlnacht richtete sich das Augenmerk vieler Kommentatoren auf eine mögliche Zusammenarbeit PS/PSD bei der Revision der Verfassung von 1976. Cavaco will vor allem den wirtschaftlichen Teil liberalisieren - der EG zuliebe und auch um nach 1974 nationalisierte Betriebe zu reprivatisieren. Für die nötige Zweidrittel–Mehrheit braucht er die Sozialisten. Bei der zugleich abgehaltenen ersten Direktwahl von 24 Europa– Parlamentariern fiel Cavacos PSD auf unter 40 Prozent zurück. Die von Lucas Pires geführte CDS kam auf 15 Prozent.
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