: Afghanischer Parteichef zu Rücktritt bereit
■ In Moskau erneuert die Nummer Eins des Kabuler Regimes das Koalitionsangebot an den afghanischen Widerstand / Beteiligung des früheren Königs Zahir Shah denkbar / Rückzug der Roten Armee erst nach Beendigung „der Aggression von außen“ möglich
Moskau (afp/taz) - Die Nummer Eins des Kabuler Regimes, Nadjib, wäre zu einem Rücktritt bereit, wenn das „oberste Interesse des Volkes“ dies verlangen würde. Auf einer Pressekonferenz in Moskau wiederholte der Parteiführer der Kommunistischen Demokratischen Partei Afghanistans am Dienstag sein Angebot für eine Koalitionsregierung an den afghanischen Widerstand und betonte dabei, daß seine Person kein Hindernis für ein Übereinkommen zu sein brauche. Auch über die Beteiligung des früheren Königs Zahir Shah an einer Koalitionsregierung könne man reden. Im Rahmen der nationalen Befriedungspolitik könnten die oppositionellen Kräfte so viele Posten erhalten, daß „jeder Platz zum Schwimmen habe“. So sei seine Partei bereit, mit den anderen Gruppen auch über das Amt des Regierungschefs zu sprechen. Den Posten des Vizepräsidenten könnten ebenfalls andere politische Kräfte besetzen. Die (entscheidenden) Ministerien für Inneres, Sicherheit und Verteidigung stünden jedoch nicht zur Disposition. Ein Rückzug der sowjetischen Truppen in Afghanistan sei erst nach der Beendigung der „bewaffneten Aggression“ von außen möglich, sagte Nadjib. Ferner müsse es eine internationale Garantie geben, daß die Kämpfe nicht wieder aufgenommen werden. Erst dann könne er einen Zeitplan für den Rückzug der sowjetischen Soldaten nennen. „Auf der politischen Ebene hängt alles von den Verhandlungen in Genf ab.“(Pakistanisch–afghanische Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, Anm. der Red.) Nadjib, der am Sonntag zu einem Kurzbesuch in der sowjetischen Hauptstadt eingetroffen war und am Montag mit Gorbatschow zusammentraf, appellierte an die „seriösen Oppositionsführer, die sich um das Schicksal ihres Landes Sorgen machen“, doch endlich die Friedensangebote der Regierung anzunehmen. Bei den Gesprächen mit dem sowjetischen Parteichef war es nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur TASS um „ergänzende Maßnahmen für eine schnellere Normalisierung“ der Lage. Daß die Sowjetunion weiterhin Druck auf das Regime ausübt, den eingeschlagenen Weg einer „Nationalen Versöhnung“ weiterzugehen, ist aus der sowjetischen Presse zu lesen. Nach einem Bericht des sowjetischen Fernsehens über das Treffen Nadjibs mit Gorbatschow sind die militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan noch nicht zurückgegangen. In der den Gorbatschowkurs unterstützenden Wochenzeitung Ogonjek erschien zum Besuch Nadjibs eine Reportage, die mit bisher beispielloser Offenheit über die Schrecken des Krieges und über desertierende Afghanen berichtete. Die Moral der Truppe „lasse zu wünschen übrig“, wird darin ein afghanischer Sicherheitsoffizier zitiert. Mit dem Hinweis auf den Schwarzmarktpreis einer Armeepistole, die 80.000 Afghanis bringe, von denen eine Familie ein Jahr lang leben könne, begründete der Offizier die weitverbreitete Korruption. Aus dem Tagebuch eines sowjetischen Hubschrauberpiloten erfahren die Moskauer von den Verlusten der Armee und den Himmelfahrtskommandos, von denen viele nicht mehr zurückkommen.
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