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„Afrika, das fünfte Rad am Wagen“

■ Für die taz interviewte Knud Petersen den scheidenden Präsidenten der Organisation für Afrikanische Einheit, Denis Sassou NGuessou / Auslandsverschuldung und Südafrika sind die Hauptthemen der jährlichen Gipfelkonferenz, die gestern in Addis Abbeba begann

taz:Nach Ihrer Wahl zum OAU– Präsidenten vor einem Jahr haben Sie die Wirtschafts– und Finanzprobleme Afrikas zur absoluten Priorität ihres Mandats erklärt, mit praktischem Erfolg? Denis Sassou NGuessou: Sicher mit einigem Erfolg, was die afrikanische Seite betrifft. Beinahe alle afrikanischen Regierungen haben sich mittlerweile für Strukturreformen und Sparmaßnahmen entschieden, um ihre nationalen Wirtschaften aus der Krise zu bringen. Leider entspricht diesem Bemühen kein Entgegenkommen auf seiten der internationalen Gemeinschaft. Es ist viel versprochen worden, aber tatsächlich ist der Kapitalstrom heute negativ, d.h. der mit 175 Milliarden Dollar verschuldete afrikanische Kontinent exportiert aberwitzigerweise Kapital in die reichen Länder, deren Hilfszahlungen in den vergangenen Jahren real gesunken sind. Mit einem Wort: Afrika ist mehr denn je das fünfte Rad am Wagen der Weltwirtschaft. Was fordert eigentlich die OAU angesichts des Verschuldungsproblems? Ein Moratorium, das Abschreiben der Schuldenlast oder die Begrenzung der jährlichen Rückzahlung auf 30 Exporterlöse? Wir haben noch keine einheitliche Position. Die Elfenbeinküste hat einseitig ihren Schuldendienst ausgesetzt, während die Regierung von Burkina Faso die Auffassung vertritt, die Schuldenverpflichtungen Afrikas sollten ganz und gar abgeschrieben werden. Der pragmatische Vorschlag, die Rückzahlungen auf 30 Diskussion gebracht worden. Inzwischen haben sich andere Länder dem Vorschlag angeschlossen - das ist sicher eine brauchbare Diskussionsbasis. Aber wenn sie der OAU vorwerfen, noch immer nicht im Namen des ganzen Kontinents zur Schuldenfrage Stellung zu nehmen, dann dürfen sie nicht vergessen, daß man uns seit Jahren eine globale Verhandlung des Problems verweigert. Wir haben eine Schuldenkonferenz gefordert, die für ganz Afrika die Frage der Rückzahlung und die Modalitäten regeln sollte. Aber es ist natürlich einfacher, jedes Land einzeln dem Joch des Weltwährungsfonds zu unterwerfen. Umso einfacher, als die OAU auch gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) keine einheitliche Auffassung vertritt. In den panafrikanischen Foren wird der IWF als Beelzebub des Weltkapitalismus verdammt, aber bei sich zu Hause ist jedermann bereit, sich an einen Tisch zu setzen und über die Bedingungen von Beistandskrediten zu verhandeln... So kann man das darstellen, wenn man vergißt, daß hinter der Fassade reale Kräfteverhältnisse stehen! Glauben Sie, ein afrikanischer Staatschef hat wirklich die Wahl? Im Rahmen einer akuten Krisensituation, deren globale Regelung uns verweigert wird, bringt der IWF eine bestimmte Form von Beziehungen zur Außenwelt und insbesondere zum Weltmarkt zum Ausdruck. Wir sind zu arm und zu schwach, um alle Brücken abzubrechen. Und mangels Alternative hat daher einer nach dem anderen in Afrika die Bedingungen des IWF akzeptiert - als Diktat der Weltwirtschaftsordnung. Mit Überzeugung und Einsicht hat das absolut nichts zu tun, zum Ausdruck kommen da nur widrige Kräfteverhältnisse. Politisch hatten sie den Kampf gegen das Apartheidsregime in Südafrika ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt. Mit Erfolg? Mit gemischtem Erfolg. Einerseits ist der Rassismus in Südafrika heute nicht mehr bloß die Angelegenheit von Kanzleien und Regierungen, sondern von Völkern, das ist sicher ein Erfolg. Und ich hoffe, daß der Druck der öffentlichen Meinung endlich eine Dynamik in Bewegung bringt, die dem Apartheidsystem effektiv ein Ende setzt. Dabei gestehe ich Ihnen freilich ein, daß ich am Ende meines Mandats enttäuscht bin: es ist mir unverständlich, warum die einflußreichen Staaten dieser Erde gegenüber Südafrika nicht in ähnlicher Weise vorgehen wie gegenüber dem Naziregime in Deutschland. Dabei geht es doch einerseits um die Verteidigung der gleichen Werte, während andererseits beide Regimes auf rassistischer Menschenverachtung beruhen. Ist das nicht nur Verbalradikalismus? Vor einigen Tagen haben Zambia und Zimbabwe öffentlich eingestehen müssen, daß sie nicht einmal die Flugverbindungen mit Südafrika unterbrechen können - von ernsteren Sanktionen gegen Pretoria ganz zu schweigen. Die USA, denen die OAU unablässig ihre Kollaboration mit dem Rassistenregime vorwirft, haben dagegen lange schon ihre Luftverbindungen mit Südafrika abgebrochen... Die USA sind kein Frontstaat und könnte sich noch ganz andere Sanktionen gegenüber Südafrika erlauben - wenn es dazu in Washington den politischen Willen gäbe. Niemand kann von Zambia oder Zimbabwe verlangen, daß sie wissentlich ihre Wirtschaft ruinieren: aber am politischen Willen der beiden Länder, mit dem Apartheidsregime in Südafrika endlich Schluß zu machen, habe ich gar keinen Zweifel. Wie erklären Sie sich, daß die OAU fehlte, als sich kürzlich in Dakar zum ersten Mal in der Geschichte weiße Südafrikaner mit Führern des ANC an einen Tisch setzten und über die nach–rassistische Zukunft des Landes sprachen? Wir waren nicht abwesend! Der senegalesische Präsident Abdopu Diou hat mich kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten, und ich wär nach Dakar gekommen, wenn nicht gleichzeitig in Genf die UNCTAD–Konferenz stattgefunden hätte. Stimmt es, daß die OAU das Rassenproblem in Südafrika eher verwaltet als nach gangbaren Lösungen sucht? Das ist eine sehr ungerechte und falsche Einschätzung! Das Befreiungskomitee der OAU kämpft seit Jahren für die Souveränität noch unterdrückter afrikanischer Brüder und hat das im übrigen schon getan, als das Apartheidsregime in der Weltöffentlichkeit noch überhaupt kein Thema war. Wir unterstützen finanziell die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika und suchen - im Rahmen eines ad hoc–Komitees - nach politischen Lösungen. Daß der Spielraum immer enger wird, ist schließlich nicht unsere Schuld!

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