: Immunschwäche?
■ Tempo präsentiert: Acht Bürgermeister mittelgroßer Gemeinden für geschlossenes AIDS–Zentrum
Die Zeitschrift Tempo hat sich auf die Suche nach der „Immunschwäche gegen totalitäre Maßnahmen“ und den Grad der AIDS–Hysterie gemacht: Verkleidet als Angehörige eines fiktiven Investment–Unternehmens unterbreiteten zwei Tempo–Mitarbeiter zehn Bürgermeistern mittelgroßer bundesdeutscher Gemeinden Pläne für eine geschlossene AIDS–Anstalt. 1.000 Infizierte sollten dort untergebracht werden und - das besondere Bonbon - 700 Arbeitsplätze entstehen. Letzteres eine Verlockung, der acht Gemeindeoberhäupter erlagen. Vorgelegt wurde ihnen der nur leicht retouchierte Grundriß des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen als Plan für das AIDS–Zentrum. Was der Tempo–Artikel nun in der neuesten Ausgabe an Einzel–Äußerungen der Provinzpolitiker dokumentiert, ist erschreckend: eine Mischung aus Unwissenheit, Ignoranz und Vorurteil, was die Krankheit AIDS angeht, und eilfertige Bedenkenlosigkeit, was die soziale Dimension eines geschlossenen AIDS–Ghettos angeht. Beweise für „totalitäre Immunschwäche“? Erbracht in ein– oder halbstündigen Gesprächen? Da macht sich allerdings der Bürgermeister aus dem bayerischen Gerolzhofen, Franz Stephan, Gedanken über die Abschottung von der Bevölkerung: „Schließlich bestehen die Infizierten hauptsächlich aus Kriminellen und Homosexuellen.“ Da weiß der Gemeindedirektor des westfälischen Medebach, Heinrich Nolte, ein Klärwerk müsse schon miteingeplant werden; man wisse ja nicht, „was von den Infizierten ins Grundwasser geht“. Und der Bürgermeister von Warstein, acht Jahre lang gesundheitspolitscher Sprecher der CDU/CSU–Fraktion, hat bei der Frage der politischen Durchsetzbarkeit einer AIDS–Klinik die tolle Idee: „Wir sagen einfach, bis das Ding steht, gibt es einen Impfstoff.“ Annette Garbrecht
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen