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AIDS–Angst in Polen: Kondome sind Mangelware

■ In Polen kommt die Präservativ–Herstellung der Nachfrage nicht mehr nach / Offiziell wurden erst drei tödliche AIDS–Fälle registriert / Die katholische Kirche hat gegen Kondom–Benutzung keine Einwände / Vielfältige Verwendung der Gummis verknappt Angebot zusätzlich

Warschau (afp) - Die Angst vor AIDS hat in Polen Kondome zur Mangelware gemacht. Die polnische Presse berichtete jetzt über Engpässe. So bemängelt die Zeitung der Kommunistischen Jugend Sztandar Mlodych, das Unternehmen „Stomil“ aus Krakau im Süden Polens habe seit Beginn des Jahres lediglich vier Millionen Präservative geliefert, während die Nachfrage mehr als 20 Millionen betrug. Die Direktion der Firma, die das Monopol der Präservativherstellung in Polen hat, gibt explizit zu, daß sie der steigenden Nachfrage nicht nachkommen kann. Für die niedrigen Produktionszahlen macht sie die veralteten Maschinen ihres Werkes verantwortlich. Zudem würde die polnische Bevölkerung aus Angst vor AIDS Präservative horten, um den Versorgungsschwierigkeiten zuvorzukommen. Nicht ohne Ironie fordert die Szantandar Mlodych ihre Kondom–knappen Leser auf, zu ganz alten Hausmitteln der Empfängnisverhütung zurückzukehren. So empfiehlt die Zeitung den Männern, vor dem Geschlechtsverkehr ihre Hoden mit einem Extrakt aus geriebenen Wurzeln des Schierlings einzureiben. Frauen hingegen sollten ihre Scheide mit altem Öl, vermengt mit Honig, Zedernharz und Wein tränken. Der Erfolg dieser antiken Verhütungsmethode muß jedoch bezweifelt werden. Und gegen die Übertragung des HIV–Virus sind solche Hausmittel ebenfalls unwirksam. In den Augen der Behörden ist die Angst vor AIDS zwar verständlich, aber nicht gerechtfertigt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind bisher erst drei Menschen an dieser Krankheit gestorben. Zwei von ihnen hatten lange in den USA gelebt, ehe sie „zum Sterben“ in ihre Heimat zurückgekehrt seien, betonte das Ministerium. Ende Juni 1987 hatten sich insgesamt 210.000 Menschen sogenannter „Risikogruppen“ in Polen einem AIDS– Test unterzogen. Davon waren 37 positiv. Seit mehreren Monaten haben die polnischen Behörden eine großanglegte Informationskampagne begonnen, um die Ausbreitung der Immunschwäche einzudämmen. Auch will die Regierung sich im Kampf gegen AIDS auf die in Polen allmächtige Kirche stützen. Als positives Zeichen gilt in diesem Zusammenhang, daß die katholische Kirche - die in Polen ein entschiedener Gegner jeder Art von Empfängnisverhütung ist - sich nicht gegen die staatliche Aufforderung zum Gebrauch von Präservativen gestellt hat. Dem Mangel an Präservativen liegt jedoch nicht nur die Angst vor AIDS zugrunde. So werden die Gummis sehr gern von Jahrmarktshändlern rot oder blau angemalt und anschließend an Kinder verkauft. Auch würden einige Polen sie zu Hunderten - gar Tausenden - in Polen erwerben und dann für teures Geld in Bulgarien oder Rumänien weiterverkaufen. Beliebt seien Kondome ebenfalls bei Gemüsehändlern, die sie in Ringe schneiden und als Gummiband–Ersatz - eine weitere Mangelware in Polen - verwenden.

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