piwik no script img

Erstes Urteil gegen Blockaderichter

■ 2.000 DM Geldstrafe für Teilnehmer an Richterblockade wegen „Nötigung“ / Amtsrichter Lang empfiehlt statt Blockaden Mahnwachen

Von Werner Jany

Schwäbisch Gmünd (taz) - Zum ersten Mal ist vor dem Amtsgericht in Schwäbisch Gmünd ein Richter wegen einer Blockade in Mutlangen verurteilt worden. Der Bremer Amtsrichter Mathias Weinert hatte sich am 12.Januar dieses Jahres an einer Sitzdemonstration von Juristen vor dem Pershing–Depot in Mutlangen beteiligt. Sein Gmünder Amtskollege Michael Lang sah ihn der „Nötigung“ überführt und verurteilte ihn am Mittwoch zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 DM. Lang kam damit nicht der Forderung seines Kollegen nach, der in seinem Schlußwort den Gmünder Amtsrichter aufgefordert hatte, Mut zu zeigen und die „eingefahrenen Geleise“ zu verlassen. Da er selbst Richter sei, wisse er, wie schnell man aus Routine auf vorgegebene Raster bei Urteilen zurückgreife. Trotzdem müsse Lang, auch wenn es schwierig sei, eine Einzelfallentscheidung treffen. Zuvor hatte Weinert erklärt, er habe sich bei harschen Temperaturen von 20 Grad Celsius unter Null nicht aus „einer Laune heraus“ vor die Zufahrt des Raketen– Depots gesetzt. Zusammen mit 20 Richterinnen und Richtern aus der gesamten Bundesrepublik habe er ein demonstratives Zeichen gegen die menschenverachtende Hochrüstung mit Massenvernichtungsmitteln setzen wollen. Die Sitzdemonstration in Mutlangen war nicht die erste, an der der Richter teilgenommen hatte. Bereits 1983 beteiligte er sich an der Blockade einer Kaserne in Bremerhaven. Obwohl damals eine Militäreinrichtung über Tage hinweg lahmgelegt worden sei, habe ihm die Staatsanwaltschaft - auf eine Selbstanzeige hin - die Straffreiheit seines Tuns versichert. Rechtsanwalt Schlothauer baute seine Verteidigung vor allem auf den Begriff „empfindliches Übel“ auf. Für eine Verurteilung nach dem Paragraphen 240 genüge es nicht, wenn jemand nur eine „bloße Unannehmlichkeit der Enttäuschung“ habe hinnehmen müssen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei klar, daß, wenn ein Richter den „vergeistigten Gewaltbegriff“ übernehme und in einer Sitzdemonstration Gewaltanwendung sehe, er nur dann auf Nötigung erkennen dürfe, wenn ein gehobenes Maß an Verwerflichkeit zu konstatieren sei. Dieses gehobene Maß sah Richter Lang als gegeben an, da Mittel der politischen Auseinandersetzung angewendet worden seien, die in einer Demokratie nicht vorgesehen seien. Ansonsten blieb Lang in seiner Urteilsbegründung weitgehend im Schema der in Schwäbisch Gmünd üblichen Verurteilungen. Das bekannte Schema verließ er nur, um den Blockaderichtern zu empfehlen, statt zu blockieren, es vielleicht einmal mit Mahnwachen zu versuchen. Diese seien laut einem Rundbrief der „Kampagne ziviler Ungehorsam“ ebenfalls sehr wirkungsvoll. Der verurteilte Richter Weinert kündigte umgehend an, Rechtsmittel einlegen zu wollen. J U N I M O N D DIE WELT SCHAUT RAUF ZU MEINEM FENSTER MIT MÜDEN AUGEN GANZ STAUBIG UND SCHEU ICH BIN HIER OBEN AUF MEINER WOLKE ICH SEH DICH KOMMEN ABER DU GEHST VORBEI DOCH JETZT TUTS NICHT MEHR WEH NEE JETZT TUTS NICHT MEHR WEH UND ALLES BLEIBT STUMM UND KEIN STURM KOMMT AUF WENN ICH DICH SEH ES IST VORBEI BYE BYE JUNIMOND ES IST VORBEI ES IST VORBEI BYE BYE ZWEITAUSEND STUNDEN HAB ICH GEWARTET ICH HAB SIE ALLE GEZÄHLT UND VERFLUCHT ICH HAB GETRUNKEN GERAUCHT UND GEBETET HAB DICH FLUSSAUF - UND FLUSSABWÄRTS GESUCHT DOCH JETZT TUTS NICHT MEHR WEH NEE JETZT TUTS NICHT MEHR WEH UND ALLES BLEIBT STEHN UND KEIN STURM KOMMT AUF WENN ICH DICH SEH ES IST VORBEI BYE BYE JUNIMOND ES IST VORBEI ES IST VORBEI BYE BYE MARTIN HARTMANN/RIO REISER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen