Grüner Tabubrecher

■ Zu Joschka Fischers Akzeptanz der BRD–Westbindung

Daß die Grünen gerne an den von ihnen selbst kreierten „Wahrheiten“ mit dogmatischer Sturheit festhalten, ist bekannt. Eine dieser „Wahrheiten“ ist die These vom „Unglück“, das die Westbindung der BRD - die durch die Mitgliedschaft in NATO und EG manifest geworden ist - darstelle. Die Devise „Raus aus der NATO“, mit der sich die Grünen Anfang der 80er Jahre an die alten Forderungen der in der BRD real existierenden Sozialisten aus dem Lager der DKP anlehnten, hatte - angesichts der NATO–Nachrüstung - sicher ihre Berechtigung. Doch selbst zu diesen Hochzeiten war der emotional eingängige Wunsch nach dem Austritt der Bundesrepublik aus dem Nordatlantischen Bündnis politisch nie mehrheitsfähig. Wer da glaubt, es sich vier Jahre danach noch immer leisten zu können, die von breitesten Schichten der Bevölkerung nicht nur akzeptierte, sondern auch gewollte Westbindung der Bundesrepublik weiter in Frage stellen zu können, ist nicht nur ein Dogmatiker. Das sture Festhalten an unrealistischen Forderungen verhindert nämlich darüberhinaus die Entwicklung anderer Lösungsansätze zur Bewältigung der Ost–West–Problematik. Mit dem einfallslosen Festhalten an dem „Raus aus der NATO“–Dogma wird diese Forderung kaum mehrheitsfähiger werden, auch wenn diese „Gebetsmühle“ noch zwanzig Jahre lang von den dann letzten Grünen geschwungen wird. Joschka Fischer hat sich als Tabubrecher betätigt. Die Grünen müssen sich jetzt dieser Diskussion stellen. Dabei muß die Partei nicht dem Lager der NATO–Befürworter beitreten. Sie hat aber die Pflicht - an der NATO–Fixiertheit ihrer norddeutschen Leader vorbei - gesellschaftliche Realitäten zu akzeptieren und Entwürfe für eine realistische Deutschland– und Friedenspolitik zu erarbeiten. Schafft die Partei das nicht, wird sie - in nicht allzu ferner Zukunft - den Weg aller dogmatischen Parteien in der Bundesrepublik gehen müssen, nämlich den in die Bedeutungslosigkeit. Klaus–Peter Klingelschmitt