piwik no script img

Bundespost um „gute Sitten“ besorgt

■ Deutsche Postreklame lehnt bezahlte Anzeige ab, in der das Wort „Lesbe“ vorkommt / „Professoren könnten Anstoß nehmen“ / Das „Feministische Gesundheitszentrum“ will gegen Ablehnung klagen

Aus Berlin Gunhild Schöller

Das Wort „Lesbe“ darf nicht in den Werbeanzeigen auf der Rückseite von Briefumschlägen erscheinen, in denen allmonatlich die Fernmelderechnungen der Deutschen Bundespost verschickt werden. Dies entschied die Deutsche Postreklame nach Rücksprache mit dem Postministerium. Allerdings wird dies nicht offen zugegeben, sondern mit Formalien begründet. Das „Feministische Frauengesundheitszentrum“ (FFGZ) in Berlin hatte sich Anfang dieses Jahres entschlossen, auf der Rückseite der Post–Briefumschläge eine Anzeige zu plazieren. In 123.000 Exemplaren sollte für Beratung und Kurse zur Frauengesundheit geworben werden. Mitte März bestätigte die Deutsche Postreklame diesen Auftrag, allerdings war ihr zu diesem Zeitpunkt der Werbetext noch nicht bekannt. Als dort die Druckvorlage Anfang Juli einging, war da im letzten Satz zu lesen: „Kurse auch für Mädchen und Lesben“. Dem FFGZ wurde telefonisch mitgeteilt, daß der Auftrag so leider nicht angenommen werden könne. Nach Aussage der FFGZ– Frauen erklärte ein Mitarbeiter der Postreklame, daß diese Anzeige keine Chance auf Veröffent lichung habe, wenn dort „Lesben“ stünde. Der Geschäftsführer Lallie habe ihm mitgeteilt, eine solche Werbung verstoße gegen die „guten Sitten“. Die Werbung „könne von Kindern gelesen werden, oder Professoren könnten Anstoß nehmen“. Dem zuständigen Referenten im Ministerium, Ihle, war - so die FFGZ–Mitarbeiterinnen - diese Entscheidung spürbar peinlich. Er habe laut darüber nachgedacht, ob sie das Wort „Lesbe“ nicht durch „AIDS“ ersetzen könnten, denn „damit liegen Sie im Trend der Bundesregierung“. Der stellvertretende Geschäftsführer der Deutschen Postreklame, Wolf–Jürgen Wenzel, wollte auf Nachfrage der taz keine dieser Aussagen bestätigen. Er berief sich auf die Begründung in der schriftlichen Absage, die das FFGZ Mitte Juli erhielt. Danach kann die Anzeige nicht angenommen werden, weil sie keine „Wirtschaftswerbung“ sei. Stichhaltig ist die Begründung allerdings nicht. Denn auf den Briefumschlägen der Post wurde auch schon für „Misereor“, „Brot für die Welt“ und die „Aktion Sorgenkind“ geworben. Allesamt keine Wirtschaftsunternehmen im klassischen Sinn. Das FFGZ hat entschieden, gegen die Ablehnung der Deutschen Postreklame vor Gericht zu klagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen