piwik no script img

SPD–Rechte gegen Dohnanyi

Hamburg (taz) - Die Lösung um die Zukunft der Häuser in der Hafenstraße erklärte von Dohnanyi im Juli zur „Chefsache“. Er selbst wolle nunmehr direkt mit den BewohnerInnen der Häuserzeile in St. Pauli verhandeln. Ultimativ forderte er die Hafensträßler auf, „unverzüglich“ eine Verhandlungsdelegation zu benennen, die das Votum habe, mit ihm bis zum 10. August einen Rahmenvertrag abzuschließen. Denn, so die Argumentation des Regierungschefs, alle vorangegangenen Konzepte seien daran gescheitert, weil die Verhandlungspartner kein Mandat der BewohnerInnen gehabt hätten. Mit diesem Schachzug wollte der durch den Druck der Parteirechten um Innensenator Alfons Pawelczyk und Bausenator Eugen Wagner in der Öffentlichkeit angeschlagene Regierungschef wieder Oberwasser gewinnen. Denn in Wahrheit waren es diese beiden Senatoren, die in den vergangenen sechs Monaten jegliche Verhandlungslösung im Hafenstraßenkonflikt zu Fall gebracht hatten: - da gab es den Vermittlerkreis, der in Abstimmung mit den BewohnerInnen mehrere Konzepte vorlegte; - da tauchte der Millionär Jan Philipp Reemtsma auf, der die Häuser kaufen wollte, um somit an einer „Entstaatlichung“ des Konfliktes mitzuwirken und alternatives Wohnen zu gewährleisten; - und da präsentierte sich zu guter Letzt das Komitee zur Verteididung der Hafenstraße, das zusammen mit dem Polit–Mäzen die Häuser in eine Stiftung überführen wollte. Doch Dohnanyi überschätzte mit seinem Vorschlag die eigene Autorität im Hamburger Minderheitensenat. Kaum hatte der Regierungschef in der ersten Gesprächsrunde den Hafensträßlern zugesichert, ein mit ihm ausgearbeitetes Modell werde er notfalls gegen den Widerstand in der Stadtregierung durchpauken, da schossen die beiden Senatoren quer. Obwohl Dohnanyi öffentlich seine Überzeugung über einen friedlichen Verlauf der am 1. Au gust stattgefundenen Demonstration geäußert hatte, erließ Pawelczyk zwei Tage vor dem Marsch ein Demonstrationsverbot. Daß es trotz dieser Provokation zu keiner Auseinandersetzung kam, lag vor allem an dem Einwirken der Hafensträßler auf die DemonstrantInnen. Zwei Tage später: In Abwesenheit seines Regierungschefs wollte Pawelczyk diesmal im Bund mit seinen Baukollegen in der Nacht zum 3. August die ebenfalls besetzten Häuser in der Schanzenstraße räumen und abreißen lassen. Während Wagner die Abrißkolonnen orderte, bearbeitete die Staatsschutzabteilung der Polizei den Eigentümer, den notwendigen Strafantrag zu stellen. Ein morgendlicher Anruf des in der Nacht aus dem Urlaub zurückgekehrten Regierungschefs stoppte wenige Minuten vor dem Abriß die Bagger. Zum schwersten Schlag holte Pawelczyk - wie berichtet - in der letzten Woche aus. Mit Material aus der Innenbehörde ausgestattet, ließ er über das TV–Magazin „Hamburger Journal“ verbreiten, in der Verhandlungsdelegation der Hafenstraße sitze eine RAF–Frau. Die publizistisch–gewollte Schlußfolgerung: „Dohnanyi verhandelt mit der RAF!“ Mit einem Vertragsentwurf, der bekanntlich auch die Zustimmung der BewohnerInnen fand, wollte Dohnanyi nun retten, was zu retten ist. In fraktionellen Beratungen jedoch signalisierte die Partei–Rechte, daß sie notfalls in der Bürgerschaft zusammen mit der CDU seinen Plan zu Fall bringen werde. In der Senatssitzung am Dienstag wurde der Vertragsentwurf „zur Kenntnis“ genommen, die Verabschiedung aber dem neugewählten Koalitionssenat überlassen. Mit Rücksicht auf die FDP, die der Verhandlungslinie positiv gegenüber steht, vermuten Beobachter. Andere sehen in der Nichtverabschiedung eine Niederlage des Regierungschefs gegenüber der Parteirechten, auch wenn Dohnanyi betont, Pawelczyk habe dem Entwurf zugestimmt. Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen