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Maulkorb für Vanunu

■ Israelischer Atomtechniker darf nicht über seine Entführung sprechen / Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Umstände der Verschleppung des israelischen Atomtechnikers Mordechai Vanunu werden nicht Gegenstand des Prozesses wegen Hochverrats sein, der voraussichtlich am 30. August beginnt. Eine entsprechende Entscheidung traf der Oberste Gerichtshof in Jerusalem am Mittwoch. Außerdem darf sich Vanunu nicht zu dem Transportmittel äußern, mit dem er nach Israel gebracht worden war. Die Gerichtsentscheidung erfolgte auf einen Appell des Angeklagten hin, der beantragt hatte, seine Verschleppung im letzten Jahr, die Haftbedingungen in Israel und seine Verfassung zum Zeitpunkt seines Geständnisses müßten Gegenstand des Verfahrens sein. Das Oberste Gericht ging zum Teil auf diese Punkte ein und entschied, daß der Angeklagte sich zur Art seiner Behandlung durch seine Entführer und den Haftbedingungen äußern darf. Vermutlich wird der Hochverratsprozeß gegen Vanunu weitgehend hinter geschlossenen Türen stattfinden. Der neue Verteidiger Vanunus, Avigdor Feldmann, will sich jedoch um ein Maximum an Öffentlichkeit bemühen. Er möchte nachweisen, daß sein Mandant keineswegs die Absicht hatte, der Sicherheit des Staates zu schaden oder dem Feind zu helfen, sondern die Öfffentlichkeit vor der atomaren Gefahr warnen wollte. Die israelischen Sicherheitsbehörden hatten bereits Anfang der Woche dem Bruder des Angeklagten, Meir Vanunu, angedroht, er müsse in Israel mit einer Haftstrafe bis zu 15 Jahren rechnen, falls er Informationen über die Entführung seines Bruders preisgebe. Meir Vanunu, der in den USA lebt, hatte gegenüber der Sunday Times Einzelheiten über die Verschleppung seines Bruders durch „Cindy“, die Agentin des israelischen Geheimdienstes Mossad, berichtet. Sie habe ihn Ende September 1986 aus London nach Rom gelockt. Dort sei er von weiteren Geheimdienstlern betäubt und auf einem Frachter nach Israel verbracht worden, wo er seither inhaftiert ist. In Italien versucht unterdessen Untersuchungsrichter Sica, die Hintergründe der Entführung zu klären. Meir Vanunu hofft, daß Italien nicht nur gegenüber Israel Protest einlegen wird, sondern auch die Rückgabe des Entführten fordern wird.

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