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Blüms furioser Start verunsichert SPD

■ Blüm–Kurs stößt bisher in der NRW–CDU kaum auf Widerstand / „Wenn die Tour zieht, soll uns das nur recht sein“ / Sozis im Medienloch / Hoffnung, daß wenigstens die SPD–Journalisten vom Blüm–Fieber bald genesen

Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) - „Ich bin überrascht. Der macht das ausgezeichnet“. Das Lob kommt ausgerechnet von einem, der als früherer Biedenkopf–Mitarbeiter alles versucht hat, den Sturz seines Ex– Chefs und damit die Nachfolge von Blüm zu verhindern. Der Mann steht mit seiner Überzeugung nicht allein. Wer in NRW derzeit einen CDU–Funktionär befragt, hört immer das gleiche: Blüm macht Mut. Endlich positive Schlagzeilen, endlich einer, dem es gelingt, die SPD in NRW in die mediale Versenkung verschwinden zu lassen. Telefonanrufe, Briefe und Telegramme, die die CDU–Zentrale in Düsseldorf erreichen, signalisieren überwiegend Zustimmung. In einer gemeinsamen Erklärung haben die acht CDU–Bezirksvorsitzenden Blüm nachhaltig gegen die Angriffe aus Bayern unterstützt. Die andere CDU, die sich etwa im „Deutschland–Magazin“ des stramm reaktionären Kurt Ziesel äußert, der im übrigen bei Kohl–Reisen zu den bevorzugt behandelten Journalisten gehört, hält noch stille. „Blüms und vor allem Geißlers fanatischer Einsatz für die Terroristen in Chile und das Zusammenspiel mit den dortigen Christdemokraten zeigt einen u Engagement gegen die Folter etwas zu konkret geraten. Zwar wußte Blüm selbst bei der Planung der Chile–Reise Anfang des Jahres nichts von den 14 chilenischen Todeskandidaten, aber über seinen grundsätzlichen Standpunkt hatte er schon während seiner Antrittsrede beim Parteitag im Mai in Essen niemanden im Unklaren gelassen. Blüm damals: „Folter ist kein Mittel der Politik. Deshalb muß ich nicht fragen, warum jemand gefoltert wird, um gegen Folter zu sein. Es gibt keinen denkbaren Grund, einen Menschen zu foltern.“ Blüm verlangte gleichzeitig von der Bundesregierung die Zustimmung zur Europäischen Folterkonvention, die Strauß blockiert. In derselben Rede hatte Blüm zugleich die Rassenpolitik in Südafrika als „unchristlich“ gegeißelt und gesagt: „Botha kann nicht unser Freund sein“, während Strauß noch ein paar Tage zuvor Botha zu seinem „Wahlsieg“ überschwänglich gratuliert hatte. Dabei ist Blüms Position in Menschenrechtsfragen keineswegs neu - überraschend ist, wie er seine Funktion nun nutzt, sie öffentlich zu propagieren. Das hat gewiß etwas mit der Öffnungsstrategie des Heinrich Geißler zu tun, aber Johannes Rau, der eilig versicherte, die SPD werde sich im Ein stehen für die Menschenrechte von „niemandem übertreffen lassen“, kann Blüm an diesem Punkt nicht packen. Raus Versuch, Blüm in Mithaftung dafür zu nehmen, daß Teile der CDU wegen der Bezeichnung des Pinochet– Regimes als „Mörderbande“ durch den damaligen SPD–Minister Matthöfer dessen Rücktritt gefordert hatten - die Kritik aus den eigenen Reihen unterschlug Rau großzügig - , konterte Blüms Generalsekratär Helmut Linssen kühl. Linssen schickte Rau am 7.8. einen Brief, dem er eine Kopie des von Blüm verfaßten „Konkret“–Artikels aus dem Jahre 1975 beilegte. Titel der Matthöfer–Verteidigung: „Mörder muß man Mörder nennen“. Blüm setzt Sozis matt Die SPD hofft, daß die Euphorie um Blüm innerhalb der CDU bald verblaßt, wenn andere Politikfelder in den Blickpunkt geraten. Bei der Sozial–, Wirtschafts– und vor allem bei der Steuerpolitik wollen die Sozis Blüm vorführen. Und einiges spricht dafür, daß die christdemokratische Geschlossenheit spätestens dann zerbricht. Schon im Juli preschte die CDU–Mittelstandsvereinigung mit einer deutlichen Kritik an Geißlers Wahlanalyse vor. Dessen Konzeption, „halbherzige Wechselwähler zu uns zu ziehen und Stammwähler als ohnehin bereits im Kasten befindlich etwas am Rande liegenzulassen“, müsse diskutiert werden. Die Diskussion über dieses Papier wurde vorerst von Generalsekretär Linssen, selbst mittelständischer Unternehmer, unterbunden. Bei den Fragen der Steuerreform, bei Stahl–und Kohlesubventionen dürfte der Friede allerdings kaum Bestand haben. Hierauf hofft die SPD, deren Strategie, NRW als das „soziale Gewissen“ der Nation darzustellen - vor allem, wie es in einem Strategiepapier aus Raus Staatskanzlei heißt, durch „Anprangern von Mißständen, Unterlassungen und Fehlentscheidungen der Bundespolitik“, sowie durch „beispielhaftes Handeln und Modellvorhaben in NRW“ - seit Blüms Einmarsch in NRW wesentlich schwerer fällt. In der Staatskanzlei ist man irritiert, daß selbst sozialdemokratische Journalisten den ganzen Blüm „nicht wahrnehmen“. Eifrig werden Blüm–Reden durchstöbert, mit denen man Blüm als bloßen Schwätzer zu entlarven trachtet. Doch die Zitatensammlung verfehlte bisher die beabsichtigte Wirkung. Und es klingt, als wolle sich die SPD selbst Mut machen, wenn es in einem Papier der Staatskanzlei, geschrieben vor Blüms Chile–Reise, heißt: Anzeichen deuteten an, daß Blüm „seine Kandidatur in NRW nur mit halber Kraft und mit halbem Herzen angeht“. Tatsächlich nimmt die Rau–Regierung Blüms Kandidatur sehr ernst. Wie ernst, das erfuhr Anfang Juli auch das Düsseldorfer WDR–Studio. Dort hatte man sich festgelegt, daß die Landtagsdebatte zum Thema Stahl am 3. Juli eine Direktübertragung im Fernsehen nicht rechtfertige. Daß die Fernsehzuschauer Rau am 3.7. gleichwohl live erleben durften, kam so. Am 30. Juni diskutierte das Rau–Kabinett besorgt die zunehmenden Blüm–Aktivitäten. Weil der just am 3. Juli in der bedrohten Stahlstadt Hattingen auftreten wollte, war, so befand das Kabinett, die Übertragung der Landtagsdebatte am gleichen Tage geboten. Nach einem Brief von Raus Sprecher an den WDR– Indendanten wurde der Düsseldorfer WDR–Studioleiter Cornelius Bormann vom Kölner Fernsehprogrammdirektor Günther Struwe, ehemals SPD–Sprecher in Berlin, schriftlich angewiesen zu senden. Und so geschah es. Bleibt die Frage, was die SPD erst machen will, wenn einer, der mit „halber Kraft“ schon so viel Hektik auslöst, auf volle Pulle umschaltet.

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