: Frauentheater in Edinburgh
■ Beim „Festival Fringe“ der freien Theatergruppen sind die Frauen in großer Zahl vertreten: Geschmackssachen, Ätzendes und ein erster Höhepunkt von Klaus Nothnagel
Insgesamt 144 Spielorte hat das Festival: Theater, Kirchen, Kneipen. Die Verteilung der Theatergruppen auf die Spielsätten hat nicht immer mit künstlerischen Gesichtspunkten zu tun. Die Assembly Rooms, mitten im Stadtzentrum gelegen und sonst bekannt für ihr anspruchsvolles Programm, haben einen - allerdings weltbekannten - Medienfurz gekauft: Compagnie di Divas heißt die mexikanische Gruppe, und ihre Mozart–Paraphrase „Donna Giovanni“ ist auch in deutschen Illustrierten groß und farbig abgefeiert worden. Ob es sonderlich originell ist, den Don Giovanni von sechs Frauen abwechselnd spielen zu lassen, ohne sonst das Libretto erheblich zu ändern - das mag ja noch Geschmackssache sein. Aber Mozart parodieren zu wollen, ohne daß nur eine einzige der Mitwirkenden einigermaßen singen könnte, dafür mit viel nackter Haut und uralten Theaterfaxen - das ist schon dummdreist. Das Publikum in der vollbesetzten großen „Music Hall“ war rücksichtslos entzückt. Jenny Lecoat steht, wie schon im letzten Jahr, für zeitgenössisch ausgerichtetes, professionell gemachtes Entertainment. Mit den „Diamantes“ hat sie zwei Multi– Instrumentalisten engagiert, die ihr Programm musikalisch reicher machen - im übrigen ist sie ihrer Linie treu geblieben: Satirische Songs mit vielen herben Flüchen, ätzende Attacken gegen alles, was sich aufspielt, von Thatcher über das Königshaus bis hin zu den Männern. Die anspruchsvollste unter den Theater– Frauen, die ich bisher gesehen habe ist Peta Lily. Ihr One–Woman–Programm, eine dramaturgisch perfekte Mixtur aus Tanz, Mimik, Schauspielerei, heißt selbstironisch „Frightened of Nothing“ und ist visuell vielfältig, politisch aktuell (ohne didaktisch zu belästigen), tänzerisch und schauspielerisch sehr eigenwillig und gekonnt. Eine Nachtclubtänzerin kann nicht mehr schlafen, weil sie glaubt, beim Untergang der Titanic an Bord zu sein. Gleichzeitig plagt sie eine folgenreiche Affäre mit dem Fischereiminister. Ihre Analytikerin ist ratlos. Der „New Age Thriller“, der sich daraus entwickelt, streift Ökologisches, aktuelle Politik, Tschernobyl. Die Tänzerin ißt Fisch und findet sich urplötzlich in einer Klinik für radioaktiv Verseuchte. Peta Lily, eine der führenden Pantomimen des United Kingdom, resümiert: „Wir sehen die Symbole nicht mehr richtig. Sie sind nur die Spitze des Eisbergs, und es wäre lebensnotwendig, sie zu sehen.“
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