: Kohl bleibt immer mittenmang
■ Der Bundeskanzler sieht keinen Anlaß, über den Kurs der Union zu debattieren / Auch Kanzlerdemontage werde nicht betrieben / Sofort konterte Stoiber und fordert von Kohl, sich endlich „inhaltlich zu äußern“
Bonn (dpa) - Der CDU–Parteichef, Bundeskanzler Kohl, hat im anhaltenden Richtungsstreit der Union erneut Stellung bezogen. Nach der von CDU–Generalsekretär Heiner Geißler eingeleiteten Programm– und Wählerdiskussion und den scharfen Erwiderungen der CSU sagte Kohl gestern im ZDF: „Wir gehen (...) weder nach rechts noch gehen wir nach links. Und solange ich Parteivorsitzender bin, wird dieser Kurs mit absoluter Sicherheit auch nicht geändert.“ In den 14 Jahren, in denen er CDU–Vorsitzender sei, sei immer wieder einmal diskutiert worden, ob die Partei nach rechts oder nach links gehen müsse, sagte Kohl. Er halte aber beide Formulierungen für unsinnig. Die CDU sei die „klassische Partei der Mitte“. Zum Vorwurf der CSU, in der CDU werde Kanzlerdemontage betrieben, sagte Kohl, davon könne „gar keine Rede sein“. Anderer Ansicht bleibt CSU– Generalsekretär Gerold Tandler. Er appellierte an Kohl, sich im anhaltenden Richtungsstreit der CDU/CSU „endlich inhaltlich zu beteiligen“. Unabhängig von den neuen Erklärungen Kohls im ZDF forderte Tandler gestern im Deutschlandfunk den Kanzler auf, Terminvorschläge für ein baldiges Gespräch mit „dem Koalitionspartner CSU und dem Vorsitzenden dieser Partei“ zu machen. Es müsse nicht nur über wesentliche Fragen der deutschen Politik wie die Rentenreform, die Fortschreibung des sozialen Versicherungssystems und die weitere Sicherung der Freiheit der Bundesrepublik besprochen werden. Auch die jetzige Diskussion innerhalb der Unionsparteien müsse bei dem Gespräch im September zu Ende geführt werden. Nach Auffassung Tandlers ist die Strategiediskussion durch die Lagertheorie von CDU–Generalsekretär Geißler ausgelöst worden. Sie sei schädlich, weil dem Wähler suggeriert werde, es sei vollkommen gleichgültig, welcher der an einem Regierungsbündnis beteiligten Parteien er seine Stimme gebe. Dabei werde verschwiegen, daß die FDP in wesentlichen Fragen der deutschen Politik wie der inneren Sicherheit ganz andere Positionen vertrete als die CDU/CSU. Auch der Kieler Politikwissenschaftler und CDU–Meinungsforscher Werner Kaltefleiter widersprach Kohl. Eine Strategiediskussion in der CDU sei nicht unsinnig und überflüssig. Der Wissenschaftler nannte den Ansatz im Strategiepapier von CDU–Generalsekretär Heiner Geißler „völlig richtig“. Eine Partei wie die Union müsse auch „Wähler der kritischen Menge ansprechen“, die grundsätzlich bereit seien, die andere Seite, also die SPD, zu wählen.
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