: Anschläge auf Textilfirma Adler
■ Acht Filialen der Textilfirma Adler durch Brandsätze beschädigt / Vermutlicher Hintergrund: Verhalten einer Adler–Niederlassung in Südkorea / Polizeisprecher vermuten Täter bei den Revolutionären Zellen
Von Nina Boschmann
Berlin (taz) - Am Samstag nachmittag sind in acht Verkaufsmärkten der Textilfirma Adler in Oldenburg, Altwarmbüchen, Frankfurt, Kassel, Bremen, Holzwickede, Neuß und Halstenbek jeweils zwei Brandsätze hochgegangen. Niemand wurde verletzt, doch der Sachschaden liegt nach ersten Schätzungen bei mehreren hunderttausend Mark. Obwohl nach Angaben der Polizei bislang von den Urhebern jede Spur fehlt, stehen die Brandanschläge aller Wahrscheinlichkeit nach im Zusammenhang mit dem Verhalten der Adler–Niederlassung „Flair Fashion“ in der südkoreanischen Industriestadt Iri. Dort waren im Frühjahr dieses Jahres nach einem Streik für Lohnerhöhungen neun Arbeiterinnen und drei Arbeiter entlassen worden, gegen die Akti vistInnen wurden Schlägertrupps eingesetzt. In der Folgezeit setzten sich sowohl kirchliche Stellen in Südkorea als auch koreanische Frauengruppen in der Bundesrepublik für die Entlassenen ein. „Terre des Femmes“ und andere Gruppen stellten fest, daß die „unverschämt niedrigen Preise“ (Adler–Werbung) nur durch die ebenso unverschämt niedrige Bezahlung und die extrem langen Arbeitszeiten von bis zu 72 Wochenstunden in Korea zustande kommen. Das deutsche Management in Korea wies die gegen die Firma erhobenen Vorwürfe zurück. In einer an deutsche Medien verschickten Pressemappe wird erklärt: „Flair Fashion“ sei ein Musterbetrieb, der Konflikt aufgeblasen, die entlassenen ArbeiterInnen Mitglieder einer „katholischen Splittergewerkschaft“, während die Mehrheit der Be schäftigten die Betriebsgewerkschaft und die von ihr ausgehandelten Lösungen unterstütze. Eine Wiedereinstellung der StörerInnen, die bereits früher in internen Listen der Unternehmensverbände als QuerulantInnen vermerkt gewesen wären, käme nicht in Frage. Eine von einem belgischen Priester durchgeführte unabhängige Untersuchung der Vorfälle gab „Flair Fashion“ schließlich in einigen statistischen Angaben recht, deckte aber neue Skandale auf. So wurden die ArbeiterInnen regelmäßig auf der Toilette überrascht, um zu prüfen, „ob Parolen geschrieben“ werden. Gestärkt durch das Versprechen der südkoreanischen Regierung, umfassende Demokratisierungsmaßnahmen durchzuführen, zogen die Entlassenen Anfang Juli dann vor die deutsche Botschaft in Seoul mit der Forderung, der mittlerweile in Europa weilende Adler solle zurückkommen und mit ihnen verhandeln. Die Botschaft gab den Wunsch auch weiter, fühlte sich jedoch am zweiten Tag der Belagerung „in ihrem Betrieb beeinträchtigt“ und informierte das koreanische Außenministerium. Wenig später wurden die entlassenen ArbeiterInnen dann von der Polizei verhaftet und in Werksbussen in ihre Heimatstadt Iri zurückgebracht. Bei Südkoreas Volksorganistionen gilt die „Flair Fashion“–Affäre mittlerweile als Paradebeispiel für den Einfluß des Imperialismus. Ende Juni deponierte die „Rote Zora“ bereits einen Brandsatz in der Konzernzentrale in Haibach, um den Kampf der ArbeiterInnen zu unterstützen. Die Bombe wurde jedoch samt Bekennerbrief vorzeitig von der Polizei entdeckt.
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