I N T E R V I E W „Wir Tamilen sollten alle ohne Bitterkeit zusammenarbeiten“

■ Apapillai Amirthalingam, Generalsekretär der bürgerlichen Tamilenpartei TULF, über das Abkommen mit Indien, die neue föderative Struktur Sri Lankas und die Konflikte unter Tamilen Die moderate Tamilenpartei TULF (Tamil United Liberation Front) trat bei den Parlamentswahlen 1977 mit der Forderung nach einem separaten Staat an und zog auf dieser Grundlage als größte Oppositionspartei ins Parlament ein. 1983 verloren die 16 TULF–Abgeordneten durch eine Verfassungsänderung ihre Parlamentssitze, die misten von ihnen leben seither im Exil in Indien. Wie die tamilischen Guerillagruppen plant auch die TULF, ihre Aktivitäten jetzt wieder soweit möglich nach Sri Lanka zu verlagern.

taz: Seit der Unterzeichnung des indisch–sri–lankischen Abkommens, das von Ihrer Partei begrüßt wurde, sind gut zwei Wochen vergangen. Wie beurteilen Sie die Situation in Sri Lanka heute? Amirthalingam: Der wichtigste Effekt ist, daß es nach vier Jahren Angst heute ein Gefühl der Sicherheit für die Tamilen in Jaffna gibt. Bis auf 600 Soldaten wurde die paramilitärische sri–lankische Armee von dort abgezogen. Im Osten allerdings hält die Special Task Force (STF) weiterhin ihre Lager aufrecht. Wir meinen: Parallel zur Entwaffnung der tamilischen Militanten sollten auch die STF und die singhalesischen Bürgerwehren entwaffnet werden. Die Militanten begründen die Verzögerung bei der Niederlegung ihrer Waffen nicht nur mit der fehlenden Sicherheit für ihre Kader, sondern auch damit, daß es bisher keine Bestätigung des Abkommens durch das sri–lankische Parlament gegeben habe... Die Ansicht, das Abkommen werde erst durch eine Ratifizierung im Parlament gültig, ist falsch. Präsident Jayewardene hat als Haupt der Exekutive gemäß der Verfassung das Recht, jede Art von Vertrag einzugehen. Damit das Abkommen jedoch auch für folgende Regierungen bindend wird, muß es als Verfassungsänderung mit einer Zwei–Drittel– Mehrheit durch das Parlament bestätigt werden. Ich glaube nicht, daß es im Parlament selbst starke Proteste geben wird, sondern vor allem außerhalb. Noch ist offen, ob es überhaupt gleich eine Debatte darüber geben wird. Die ausformulierten Gesetze sollen Ende September zur Ratifizierung vorgelegt werden. Sollte es dafür keine Zwei–Drittel–Mehrheit geben, hat Jayewardene angekündigt, das Parlament aufzulösen. Heißt das, es bleibt dann den indischen Truppen überlassen, das Abkommen gegen den breiten singhalesischen Widerstand durchzusetzen.? Es wäre voreilig, über einen solchen Fall jetzt schon zu spekulieren. Das ist eine hypothetische Situation. Ich glaube nicht, daß das eintreten wird. Die Frage der Landverteilung scheint aber doch ein Streitpunkt zu sein. Nach jahrelanger, staatlich geförderter Kolonisation durch singhalesische Siedler sind die Tamilen dort in der Minderheit. Erst ein Referendum soll endgültig über die Zusammenlegung des Nordens und Ostens entscheiden. Dieser Punkt ist in der Tat noch nicht ganz abgeklärt. Unsere Forderung, daß das staatliche Land unter die Kontrolle der jeweiligen Provinzregierung fällt, wird von der Regierung Sri Lankas abgelehnt. Sie wollen die Befugnisse an eine nationale Landkommission übertragen, in der sowohl Vertreter der Provinzräte als auch der Zentralregierung sitzen. LTTE–Chef Prabakaran hat kürzlich auf die Frage, ob die LTTE sich am zukünftigen politischen Prozeß durch Mitarbeit in der Interims–Regierung bis zu den offiziellen Wahlen beteiligen werde: „Wir haben den Laden hier sowieso geschmissen.“ Versucht die LTTE nach der militärischen Entmachtung nun, Ihnen die politische Macht streitig zu machen? Bisher hat die Überlegenheit der Waffen entschieden, die LTTE wurde als Beschützer des tamilischen Volkes gegen die sri–lankische Armee angesehen. Ihre Waffen ermöglichen es ihnen, die Bedingungen zu diktieren. Jetzt aber garantieren die indischen Friedenstruppen den Schutz. Sollte die LTTE das Volk an der Wahrnehmung seiner demokratischen Rechte hindern, wird die indische Regierung zu gegebener Zeit Maßnahmen ergreifen. Für die Interims–Regierung soll es einen obersten Verwaltungsbeamten und einen zehnköpfigen beratenden Ausschuß geben. Darunter müssen ein Singhalese und zwei Mohammedaner sein, die die Ostprovinz repräsentieren. Die LTTE weigert sich, die sieben für die Tamilen reservierten Sitze unter allen tamilischen Organisationen aufzuteilen. Wir wollen eine Konfrontation mit der LTTE und der Gruppen untereinander vermeiden und hoffen auf die indische Vermittlung. Letzte Woche warnte LTTE–Chef Prabakaran andere Tamilen–Organisationen - EPRLF, TELO, PLOT - vor einer Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten auf Sri Lanka. Was ist mit der TULF? Warum sind Sie denn noch in Madras? Prabakarans Erklärungen sind undemokratisch und autoritär. Das Volk muß entscheiden, wer es regieren soll. Die LTTE ist niemals von einer Volksmehrheit an die Macht gewählt worden. Prabakaran hat uns allerdings nicht das Recht abgesprochen, nach Jaffna zurückzugehen. Er hat nur gesagt, das tamilische Volk werde es uns nicht verzeihen, daß wir in schweren Zeiten weggelaufen seien. Das ist jedoch nicht richtig, ohne unsere ständigen Bemühungen und Kontakte zur indischen Regierung hätte es keine Hilfsgüterlieferungen und auch nicht dieses Abkommen gegeben. Die LTTE muß akzeptieren, daß wir als Bürger Jaffnas das Recht haben, nach Hause zurückzukehren. Glauben Sie, es gibt eine Zukunft für das Abkommen? Ich bin zuversichtlich, daß das Abkommen verwirklicht wird und die Mehrheit der Tamilen die sachliche Politik der TULF wünscht, um ihre Interessen vertreten zu lassen. Wir sollten alle zusammen ohne Bitterkeit am Aufbau der zerstörten Gebiete zu arbeiten beginnen. Interview: Biggi Wolff (Madras)