: Firma Adler sucht Schieß–Personal
■ In Sri Lanka bevorzugt die Textilfirma Ex–Soldaten als Werkschützer / Niederlassung mit 1.600 Beschäftigten, überwiegend Frauen / Hungerlöhne und Zwangsüberstunden / Lob für deutsches Unternehmertum
Von Walter Keller
Berlin (taz) - Auch in der Niederlassung der deutschen Textilfirma Adler in Sri Lanka brodelt es. Das Unternehmen firmiert hier unter dem Namen „Inter Tesching“ und hat 1.600 Beschäftigte, überwiegend junge Frauen. „Wir suchen einen erfahrenen Sicherheitsbediensteten..., der im Umgang mit Schußwaffen versiert sein soll... Ehemalige Soldaten werden bevorzugt“, heißt es in einer kürzlich erschienenen Stellenanzeige der Inter Tesching in Sri Lankas führender englischsprachigen Zeitung Daily News. Inter Tesching war im November 1983 inmitten der Teeplantagenregion im 2.000 m hoch liegenden Ort Nawara Eliya eröffnet worden. Weil die Regierung sich einiges vom deutschen Unternehmertum versprach, hatte sie nicht nur die für ausländische Investoren übliche 15jährige Steuerfreiheit eingeräumt, sondern sogar den Sportplatz einer tamilischen Schule am Rande der Provinzstadt für den Bau der Produktionshallen zur Verfügung gestellt. Obwohl Adler damals versprach, einen neuen Sportplatz an anderer Stelle zu errichten, muß die Schule noch immer um die Einhaltung des Versprechens kämpfen. Mit anderen infrastrukturellen Maßnahmen, wie zum Beispiel einem eigens für Inter Tesching eingerichteten Eisenbahn Container–Dienst zwischen Colombo und dem Firmenstandort, wollte Sri Lankas Regierung vollends zur Zufriedenheit des deutschen Mutterunternehmens beitragen. Bei der damaligen Eröffnungsfeier hatte dann auch Dr. Helmut Wagner, Vorstands–Vorsitzender der Allgemeinen Saar–Konsum– GmbH & Co. (Atko), zu dem auch die Firma Adler zählt, gute Worte für die Regierung des Lnades übrig und lobte den neuen Liberalismus im Land. In einer Festschrift zum Grand Opening der Fabrik wurde das deutsche Unternehmertum gelobt, das durch „seine Geschenke zum Wohlstand Sri Lankas“ beitrage. Welche Geschenke Adler im Sinne hatte, zeigte sich schon bald und erklärt auch die umverschämt billigen Preise, mit denen die Textilsupermärkte der Firma werben. So gibt es beispielsweise für die Beschäftigten keine Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Frauennachtarbeit ist Pflicht, Überstunden werden erzwungen, und mit den monatlich bezahlten Löhnen würde in der Bundesrepublik keiner auch nur einen Tag arbeiten. Die betragen, je nach Beschäftigung, umgerechnet zwischen 50 DM für eine Näherin und 150 DM für Aufseher und Ausbilder monatlich. Angesichts der ständig steigenden Lebenshaltungskosten beklagen sich die MitarbeiterInnen zunehmend über ihre Bezahlung sowie über andere Praktiken der Geschäftsführung, die mit denen in Südkorea vergleichbar sind. So gibt es keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; Arbeitsunfähigkeit muß innerhalb von drei Tagen durch Attest nachgewiesen werden, was in Sri Lanka nicht nur unüblich, sondern angesichts längerer Postwege und eines unzureichenden Telefonnetzes nicht immer einfach ist. Wird die Frist überschritten, kann es zur fristlosen Kündigung kommen. Inter Tesching arbeitet mit „Target Work“–Verfahren, wobei täglich eine von der Firmenleitung festgelegte Anzahl von Kleidungsstücken oder Teilen davon gefertigt werden müssen. Wird diese Vorgabe nicht erreicht, werden Beschäftigte zu unbezahlten Überstunden verdonnert. Besonders hart kann es die treffen, die die Ableistung von Überstunden verweigern. Noch im April dieses Jahres erhielten Frauen, die keine Überstunden leisten wollten, ein Schreiben der Geschäftsleitung, in dem es heißt: „Sie wurden aufgefordert, am 9. April 87 bis 21 Uhr zu arbeiten, diese Anweisung haben sie ignoriert und den Arbeitsplatz ohne Erlaubnis verlassen. Sie werden hiermit verwarnt; eine Wiederholung wird zu ihrer Entlassung führen.“
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