Süd–Korea: Mit Bulldozern gegen Arbeitgeber

■ Zwischen 30.000 und 50.000 Arbeiter demonstrieren in der südkoreanischen Autostadt Ulsar / Bilder vom Unternehmenschef verbrannt / Arbeiter fordern Lohnerhöhung / Tränengasbomben der Polizei geklaut / Bürger schließen sich den streikenden Arbeitern an

Seoul/Ulsan (afp) - Mindestens 30.000 für Gewerkschaftsfreiheit und höhere Löhne streikende Arbeiter sowie sie unterstützende Bürger demonstrierten am Dienstag in den Straßen der südostkoreanischen Autostadt Ulsan, wo das größte Unternehmen des Landes, Hyundai, mehrere Werke hat. Viele der Demonstranten von Ulsan trugen Schutzhelme sowie Gasmasken und fuhren auf Gabelstaplern, schweren Lastwagen und Bulldozern. Etwa 7.000 Arbeiter, die sich am Morgen vor dem Hyundai–Schwerindustriewerk versammelt hatten, waren in das Zentrum der Stadt gezogen, nachdem ihre Vertreter zwei Stunden mit einem hohen Beamten des Arbeitsministeriums und dem örtlichen Polizeichef gesprochen hatten. Sie hatten zunächst zugestimmt, die schweren Fahrzeuge und ihre Stöcke außerhalb der Stadt zu lassen, aber als die etwa 3.000 Mann starken Polizeieinheiten sich zurückzogen, setzten die Streikenden ihren Marsch mit Stöcken bewaffnet fort. Sie riefen Parolen und sangen Kampflieder, als sie durch die Straßen der Innenstadt zogen. Tausende von Fami lienmitgliedern der Streikenden und andere Bürger schlossen sich händeklatschend dem Zug an und stimmten in die Rufe der Arbeiter ein. Die Polizei schätzte die Menge auf 30.000 Menschen. Die Organisatoren des Marsches sprachen von 50.000. Bei ihrer dreistündigen Kundgebung am Werk von Hyundai– Schwerindustrie hatten die Arbeiter ein Bild des Unternehmenschefs Chung Ju–Young verbrannnt und verlangt, daß er zu ihnen kommen und mit ihnen über ihre Forderungen sprechen solle. Eine Gruppe von Arbeitern stürmte einen Hyundai–Schlafsaal, den die Bereitschaftspolizei zeitweilig als Unterkunft benutzt hatte. Nach Augenzeugenberichten warfen sie Fenster ein und nahmen Polizeiausrüstung mit, unter anderem einen Behälter mit Tränengasbomben. Am Morgen hatten andere Arbeiter das Haus eines managementfreundlichen Gewerkschafters angegriffen. In Seoul hatten 40 Arbeiter aus Ulsan, die mit dem Bus in die Hauptstadt gefahren waren, vor dem Hyundai–Hauptsitz über Nacht einen Sitzstreik abgehalten, Chung Ju– Youngs Absetzung sowie 25 Prozent höhere Löhne verlangt. Am Montag hatte die Polizei in Ulsan etwa 20.000 Streikende von Hyundai mit Tränengas auseinandergetrieben. Das Schwerindustriewerk des Konzerns hatte am selben Tag 30.000 Arbeiter ausgesperrt. Neben Lohnerhöhungen und dem Chung–Rücktritt fordern die Arbeiter Verhandlungen des Unternehmens mit dem kürzlich gebildeten Vereinigten Hyundai– Gewerkschaftskomitee. Hyundai machte im letzten Jahr einen Umsatz von 18 Milliarden Dollar und verfügt über insgesamt 31 Einzelunternehmungen.