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Nicaragua kann Erdölbedarf nicht decken

■ Die Sowjetunion deckt nur noch 40 Prozent der Ölimporte Nicaraguas - die übrigen 60 Prozent können offensichtlich nicht beschafft werden / Das Land ist von der solidarischen Unterstützung aus Drittländern abhängig / Keine Lieferung wegen offener Rechnungen

Von Ralf Leonhard

Managua (taz) - „Derzeit werden keine neuen Öllieferungen erwartet“. Mit dieser nüchternen Feststellung leitete Vizepräsident Sergio Ramirez jetzt die dritte, bisher dramatischte Benzinkrise Nicaraguas in diesem Jahr ein. Ramirez, der vor wenigen Wochen erst von einer Betteltour durch den Nahen Osten zurückgekehrt ist, kündigte an, daß in den kommenden Tagen „hohe Funktionäre in verschiedene Länder reisen werden“, um den Bedarf für den Rest des Jahres von 220.000 Tonnnen Rohöl zu decken. Nicaragua verbraucht jährlich 765.000 Tonnen des zähflüssigen Saftes. 40 Prozent davon hat nach einem im Vorjahr abgeschlossenen Liefervertrag die Sowjetunion beigesteuert und damit seine zuvor 100 prozentige Versorgung Nicaraguas gestoppt. Kuba, die DDR und Bulgarien haben zusammen etwa 200.000 Tonnen ge spendet. Die jüngste Reise des Vizepräsidenten war ein Fehlschlag: „Die Golfstaaten liefern nichts“, meinte er nach seiner Rückkehr. Auch die Ankündigung, daß die Ölstaaten der Contadora–Gruppe Nicaragua aus der Klemme helfen würden, hat sich als Wunschdenken der sandinistischen Führung erwiesen. Venezuelas Präsident Jaime Lusinchi hatte bereits klargestellt, daß Nicaragua nicht beliefert würde, solange es seine offene Ölrechnung nicht begleiche. Ein 1980 zwischen Mexiko und Venezuela geschlossenes Abkommen sieht Öllieferungen zu Vorzugs bedingungen an Zentralamerika und einige Länder der Karibik vor. Venezuela stellte seine Lieferungen an Nicaragua bereits 1982 ein, Mexiko folgte dann erst zwei Jahre später auf massiven Druck der USA. Seither ist die UdSSR Hauptlieferant für den nicaraguanischen Erdölbedarf. Nicaragua wird auch in Zukunft keinen Cordoba für Erdöl ausgeben können. Ramirez: „Wir sind auf solidarische Unterstützung von Drittländern angewiesen“. Nicaragua importiert jedes Jahr Waren für den dreifachen Wert seiner Exporterlöse, um eine Wirtschaft des Überlebens in Gang zu halten. 60 Prozent des Haushaltes gehen in die Verteidigung gegen die von den USA ausgerüsteten Contras. Die Ölrechnung über rund 225 Millionen Dollar allein würde die durch Exporte erzielten Deviseneinkommen übersteigen. Sergio Ramirez, der seine Erklärungen gleichsam als S.O.S.–Ruf an die befreundeten Nationen richtete, malte ein düsteres Bild von der Zukunft seines Landes, wenn die Öllieferungen versiegen sollten: „Das könnte Auswirkungen haben auf unsere Möglichkeiten, das Friedensabkommen von Guatemala zu erfüllen“.

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