Streit über THTR beim SPD–Landesparteitag

■ In einer Vielzahl von Anträgen wird die „Stillegung“ des Reaktors in Hamm–Uentrop gefordert / Der SPD–Fraktionsvorsitzende Farthmann beugt vor: „Ich könnte einen solchen Beschluß nicht akzeptieren“ / Alle Seiten beschwören den „Glaubwürdigkeitstest“ für die SPD

Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) - Auf dem Anfang Oktober stattfindenden Landesparteitag der nordrhein–westfälischen SPD ist damit zu rechnen, daß der Streit um den Ausstieg aus der Atomenergie zum beherrschenden Thema avanciert. Aus etwa einem Dutzend SPD– Unterbezirken liegen Anträge vor, in denen klipp und klar die „Stillegung“ des Thoriumhochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm–Uentrop gefordert wird. „Mit der Stillegung des THTR Hamm–Uentrop“, so heißt es etwa in einem Antrag aus Unna, „steht und fällt die Glaubwürdigkeit der SPD in Nordrhein–Westfalen“. Aufs „Schärfste“ verurteilen die Hammer Genossen die im April erteilte Genehmigung für die 3. Phase der Leistungsversuche durch ihren Parteifreund, Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen. Für die Dortmunder SPD steht diese Genehmigung im „klaren Widerspruch“ zur sozialdemokratischen Energiepolitik. Die Landesregierung wird unmißverständlich aufgefordert, die Genehmigung „zu widerrufen“. Friedhelm Farthmann, SPD– Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, baute in einem Welt– Interview Anfang dieser Woche schon mal vor: Einen Beschluß, den THTR abzuschalten, könne er „nicht zustimmen, ich hielte ihn auch nicht für realisierbar und sähe in einem solchen Beschluß auch kein Monitum für die Landesregierung“. Während der SPD–Unterbezirk Warendorf verlangt, NRW müsse „Vorreiter beim Ausstieg aus der Atomenergie“ werden, hält Farthmann es angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bund für eine „groteske Fehleinschätzung“, so zu tun, „als müßten wir jetzt ein Beispiel setzten“. Man könne „natürlich beschließen, im Himmel sei Jahrmarkt“, nur müsse jeder Delegierte und jeder Parteitag wissen, „wie ernst er sich selber nimmt“. Mit seinen Welt–Äußerungen versuchte Farthmann Pflöcke einzuschlagen, die der Landesregierung einen gewissen Handlungsspielraum belassen. Während die Rau–Regierung entschlossen ist, den Schnellen Brüter nicht zu genehmigen - um Schadensersatzforderungen zu entgehen wird der Koloß in Kalkar „streng nach Recht und Gesetz“(Rau) zu Tode geprüft -, ist eine ähnliche Strategie beim THTR im Kabinett äüßerst umstritten. Städtebauminister Christoph Zöpel, der schon im letzten Jahr erklärt hatte, der THTR „mache unter gar keien Umständen irgendeinen Sinn, auch nicht als Forschungsreaktor für ein Ausstiegsszenario“, verlangt ein Ende der „Eiertänze“. Während Zöpel durch eine offensive Politik ein Anti–THTR– Klima schaffen will, will die Kabinettsmehrheit nicht die Unsinnigkeit des THTR propagieren, sondern die juristischen Hindernisse, die einer Stillegung entgegen stehen. Am Ende wird der Parteitag vermutlich einen Antrag beschließen, der dem des Vorstandes des Bezirks „Westliches Westfalen“ nahekommt. Der Versuchsbetrieb, der noch bis 1991 genehmigt ist, ist gar nicht mehr Thema dieses Antrages, sondern die Landesregierung wird lediglich aufgefordert, „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die endgültige Betriebsgenehmigung zu verhindern“. Ob Wirtschaftsminister Jochimsen einen solchen Beschluß mittragen könnte, ist allerdings fraglich. Zwar hielt der Minister im Juni 1986 den Verzicht auf die HTR–Technologie für möglich, „sollte jedoch die Diskussion über die künftige Energiepolitik erweisen, daß für einen längeren Zeitraum Kernenergie genutzt werden muß, weil ein Umsteigen derzeit nicht oder noch nicht im gewünschten Ausmaß möglich ist, dann käme gerade dieser HTR– Technologie unter Sicherheitsaspekten eine besondere Bedeutung zu“. Wie es um die Sicherheit des THTR bestellt ist, sollen die Delegierten noch vor dem Parteitag von der Regierung erfahren. „Sobald wie möglich“ hatte die SPD– Landtagsfraktion am 1.7.86 von der Landesregierung einen Bericht über die sicherheitstechnische Überprüfung der Kernkraftanlagen in NRW gefordert. Nach einem längeren Streit über die Beteiligung von kritischen Wissenschaftlern soll, so ein Jochimsen– Sprecher, in Kürze ein „Zwischenbericht“ vorgelegt werden. Die SPD–Fraktion hatte von der Rau–Regierung zudem verlangt, bis „Mitte 1987 dem Landtag darüber zu berichten, in welcher Weise und in welchen Fristen der Übergang zu einer Energieversorgung ohne Kernkraft vollzogen wird; dies schließt den THTR 300 mit ein“. Auch dieser Bericht läßt bis heute auf sich warten. Lange läßt sich das Schweigen für Rau aber nicht mehr durchhalten. Nicht zuletzt das von der IG Bergbau vorgelegte Überbrückungskonzept zur Behebung der Kohlekrise - bis 1995 vorübergehende Rücknahme des Kernenergieanteils, der danach wieder wachsen soll - zwingt die Landesregierung dazu, Farbe zu bekennen. Die Düsseldorfer CDU–Opposition weidet sich genüßlich an dieser sozialdemokratischen Politik–Wunde. Die wirtschaftspolitische Sprecherin, Christa Toben, verlangte von Rau, es der IGBE gleichzutun und sich von den Ausstiegsplänen zu verabschieden. Andernfalls würde die SPD „die Interessen des Landes verraten“. Des Landes? Der SPD–Ortsverein Havixbeck sieht das völlig anders: Kurz und knapp heißt es in deren Antrag zu den Atombetrieben: „Für vorhandene Anlagen wird eine kurzfristige Schließung festgeschrieben. Begründung: Kernenergiepolitik können wir vor unseren Kindern nicht länger verantworten. Sie ist offenkundig nicht zu beherrschen“.