Zum Kotzen

■ Wann ist Arbeitsverweigerung erlaubt?

Ein Pharma–Konzern entwickelt eine Pille gegen Übelkeit. Er spekuliert darauf, daß die NATO an dem Medikament Interesse hat, um ihre Soldaten damit auszurüsten. Das Mittel könnte im Falle des Atomkriegs die Auswirkungen der Strahlenkrankheit dämpfen. Kein Szenario ist pervers genug, daß sich damit nicht noch Geschäfte machen ließen. Die NATO zählt dreieinhalb Millionen Soldaten: dreieinhalb Millionen Päckchen Anti–Kotzmittel. Dazu kommen einige Millionen Reserve–Päckchen, und alle drei Jahre wird die NATO–Pille ausgetauscht, weil das Verfallsdatum überschritten ist. Ein gewaltiger Markt. Kann ein Forscher sich weigern, an der Entwicklung eines solchen Mittels für Krebstherapie, Migräne und Atomkrieg mitzuwirken? Kann ein Lufthansa–Pilot den Flug verweigern, wenn er politische Flüchtlinge abschieben soll? Kann ein Drucker die Maschinen anhalten, wenn die „Auschwitz– Lüge“ über die Rotation läuft? Es gibt das Recht der Arbeitsverweigerung. Es gibt die grundgesetzlich geschützten Instanzen des Gewissens und der Würde. Aber wer traut sich, davon Gebrauch zu machen? „Machen wir einfach den Tanz nicht mehr mit“, schrieb Georg Kreisler in den 70ern. Kreisler träumte von der Putzfrau, die das verschissene Klo sich selbst überläßt, vom Müllmann, der auf die Müllberge pinkelt, vom Rheinmetaller, der die Tötungsmaschinen aus dem Fenster wirft, vom Bundestags–Chauffeur, der Herrn Zimmermann den Fahrgast–Raum verweigert. Ein schöner Traum. Aber nur ein Traum. Denn die realen Rebellen sind wie die Sonnenstrahlen dieses Sommers: erwärmend, aber selten. Und der innere Protest vieler Tausender, die ihre Stellung lautlos kündigen, bleibt unsichtbar. Manfred Kriener