Platzt der ALKEM–Prozeß?

■ Anwälte beantragten die Aussetzung des Verfahrens / Staatsanwaltschaft soll neue Anklageschrift vorlegen / Oberstaatsanwalt Farwick lehnt Antrag auf Ersetzung der zwei Staatsanwälte Hübner und Geschwind ab

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Hanau (taz) - Die fünfte große Strafkammer des Hanauer Landgerichts, das für Umweltstraftaten zuständig ist, hat den gestern eingebrachten Anträgen der Verteidigung der angeklagten Ministerialbeamten Thurmann, Frank und Hecker sowie der ALKEM– Manager Warrikoff und Stoll nicht stattgegeben. Die Befürchtung, daß der ALKEM–Prozeß am fünften Verhandlungstag platzen könnte, ist damit hinfällig. Rechtsanwalt Dr. Bissel, der den ALKEM–Geschäftsführer Stoll verteidigt, beantragte die Aussetzung des gesamten Verfahrens, da die Hanauer Staatsanwaltschaft seiner Auffassung nach Gelegenheit erhalten müsse, die komplette Anklageschrift neu zu formulieren. In einer gut zweistündigen Antragsbegründung, die die Geduld der Prozeßteilnehmer erheblich strapazierte, versuchte Bissel anhand von 24 exemplarischen Fällen den Beweis zu führen, daß die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift - im Vergleich mit den zugrundeliegenden Akten - „wesentliche Änderungen“ vorgenommen habe. Diese Montage von Texten, so der Vorwurf des Stoll–Verteidigers, habe einzig und allein dazu gedient, den von der Staatsanwaltschaft „konstruierten“ Vorwurf der Absprachen zwischen den Beamten des hessischen Wirtschaftsministeriums (HMWT) und den ALKEM–Managern zu belegen. Die gesamte Anklageschrift sei ein Sammelsurium von „vagen Anspielungen und konturlosen Formulierungen“, dem generell „Unübersichtlichkeit“ attestiert werden müsse. Bissel: „Unter diesen Umständen ist eine sachgerechte Verteidigung der Angeklagten nicht mehr möglich.“ Die Verteidiger und einige der Angeklagten hatten den Staatsanwälten bereits mehrfach Manipulation der Anklageschrift vorgeworfen. Während sich der Verteidiger von Dr. Angelika Hecker, die im übrigen jede Aussage verweigert, dem Antrag Bissels anschloß, übernahm der Anwalt von Alexander Warrikoff nur die Antragsbegründung. Warrikoffs Anwalt Hamm plädierte auf Weiterverhandlung unter der Bedingung, daß die vorliegende Anklageschrift als „nicht vorhanden“ gewertet werde. Mit ihren Anträgen reagierten die Verteidiger auf die Ablehnung ihres am dritten Prozeßtag gestellten Antrags auf die Ersetzung der Staatsanwälte Reinhard Hübner und Thomas Geschwinde, den der Hanauer Oberstaatsanwalt Farwick zu Verhandlungsbeginn negativ beschieden hatte. Behördenleiter Farwick hatte den Antrag der Verteidung mit der Begründung zurückgewiesen, daß es der Verteidigung bei der Antragsstellung nur darum gegangen sei, die sachkundigen Hanauer Staatsanwälte gegen sachunkundige auszutauschen. Im übrigen, so Farwick, seien die Vorwürfe der Angeklagten gegen die Staatsanwälte „völlig unbegründet“. Farwick verwies auch auf die Erklärung des hessischen Generalstaatsanwalts Kuhlenkampff, der die Angriffe der Angeklagten auf die Staatsanwaltschaft am Montag als „maßlos“ bezeichnet hatte. Das Gericht unter Vorsitz von Richter Frese lehnte die Anträge der Anwälte mit der Begründung ab, es schöpfe seine Erkenntnisse aus dem Verlauf der Hauptverhandlung.