Kuhmilch mit Gentechnik

■ Bundesanstalten testen gentechnisches Hormon an Kühen / Milch wird bedenkenlos verkauft

Aus Bonn Oliver Tolmein

Milch von Kühen, die mit gentechnisch hergestellten Wachstumshormonen behandelt werden, wird bereits in der BRD verkauft, obwohl die entsprechenden Hormone nicht zugelassen sind. Diese Information, die Anita Idel vom Gen–Ethischen Netzwerk gestern auf einer Pressekonferenz der Zeitschrift natur veröffentlichte, wurde gegenüber der taz von den verantwortlichen Institutsleitern bestätigt. Sowohl Professor Gravert von der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel als auch Professor Smidt vom Institut für Tierzucht und Tierverhalten in Mariensee hatten keine Bedenken. Auf die Zusammensetzung der Milch hätte die Behandlung mit Rinderwachstumshormonen keinen oder nur einen geringen Einfluß. Der Bericht der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnik“ hatte allerdings empfohlen: „Dem Einsatz von ... wachstumsfördernden Hormonen in der Tierproduktion (soll) eine genaue Analyse des Rückstandsverhaltens und der Wirkung auf den Menschen vorangehen.“ Das ist bisher jedoch nicht erfolgt. Anita Idel, die auch Koordinatorin einer bundesweiten Kampagne von zehn Organisationen gegen die Einführung des gentechnisch produzierten Wachstumshormons ist, äußerte aber noch weitergehende Bedenken. Sie kritisierte, daß die KonsumentInnen nicht einmal informiert seien, daß Milch von manipulierten Kühen auf den Markt gelange. Gegen den Einsatz des Wachstumshormons, das die Milchleistung der Kühe bis zu 36 Prozent steigern könne, spreche zum einen, daß es Indizien dafür gebe, Fortsetzung auf Seite 2 daß Euterkrankheiten, Stoffwechselstörungen und Fruchtbarkeitsstörungen bei den behandelten Kühen zunähmen. Zum anderen entwickelten sich die Hochleistungskühe zu Nahrungsmittelkonkurrenten für den Menschen, weil sie immer mehr hochwertiges Kraftfutter bräuchten. Carl–Friedrich Osenberg von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft meinte, daß mit der Einführung des Rinderwachstumhormons die Milchwirtschaft, einer der letzten Zweige der bäuerlichen Landwirtschaft, die Schwelle zur Industrialisierung überschreite. Das werde zu einer Verschlechterung der Produktqualität und zu Extraprofiten für das landwirtschaftliche Kapital führen. Wohin die Industrialisierung die Landwirtschaft führe, habe sich Anfang der 60iger Jahre bei der Einführung der Masthähnchen, den Legebatterien und der Mastschweinhaltung gezeigt. Osenberg verwies auch auf die Marktsituation im landwirtschaftlichen Bereich. Der „Kampf um die Milchquoten“ sei nur von kapitalstarken Großbetrieben zu gewinnen, die sich das Wachstumshormon leisten könnten. Daß ein erhöhter Konzentrationsprozeß in der Milchwirtschaft durch dessen Zulassung befördert würde, belegen auch mehrere Studien, die für die EG–Länder voraussagen, daß im Jahr 2000 nur noch die Hälfte der jetzt an der Milchproduktion beteiligten Betriebe existieren.