Proteste gegen Killer in Kolumbien

■ Nationaler Protesttag in Bogota gegen Morde an Oppositionellen / Regierung und Justiz unternehmen nichts gegen die Todesschwadronen / Regierung gefährdet Friedensvertrag

Aus Bogota Ciro Krauthausen

An die 50.000 Menschen strömten am Dienstagabend auf die Plaza de Bolivar im Zentrum der kolumbianischen Hauptstadt Bogota, um gegen die Ermordung oppositioneller Politiker zu protestieren. Die größte Gewerkschaft des Landes hatte zu dem nationalen Protesttag aufgerufen und wurde dabei von den sonst eher apathischen Studenten mit einem Vorlesungsstreik unterstützt. Fast täglich erscheinen in den kolumbianischen Zeitungen Meldungen über Attentate auf linke Politiker, Bauernführer, Gewerkschafter und engagierte Priester. Die Regierung von Präsident Barco kann oder will nichts gegen die im ganzen Land agierenden Todesschwadronen tun. Daß die Killerkommandos von hohen Militärs und angesehenen Politikern protegiert werden, ist erwiesen. Doch die Justiz ist untätig: Kein einziger Täter wurde bisher gerichtlich belangt. Bevorzugtes Opfer der Todesschwadronen sind Funktionäre der Patriotischen Union (UP), einer Partei, die im Zug der Waffen stillstandsverträge mit der kommunistischen FARC–Guerilla entstanden ist. Zu den bereits über 400 ermordeten UP–Mitgliedern kam am Freitag vergangener Woche noch ein UP–Abgeordneter des nationalen Parlaments hinzu. Der 48jährige Universitätsprofessor wurde von uniformierten Killern im Schlaf niedergestreckt. Hinter der Mordwelle steckt Strategie. Im März 1988 stehen die ersten Bürgermeisterwahlen in der kolumbianischen Geschichte an. Die von der FARC und der Kommunistischen Partei getragene UP hat gute Chancen, zumindest in peripheren Regionen des Landes die Kommunalpolitik in die Hand zu nehmen: Die Rechte will es genau dazu gar nicht erst kommen lassen. Sie setzt darauf, mit Hilfe der Todesschwadronen die UP in die Illegalität des bewaffneten Kampfes zu treiben. Angesichts der fehlenden Garantien für die legale Parteiarbeit ist der Waffenstillstand mit der FARC, die über etwa 10.000 Kämpfer verfügt, ernsthaft ins Wanken geraten. Die Guerilla hat ihren Teil sicherlich dazu beigetragen. Ende Juni tötete sie 27 Soldaten die in einen Hinterhalt geraten waren. Seitdem schlägt das Militär zurück, und die Auseinandersetzungen häufen sich. Unter dem Druck der Militärs scheint die Regierung die Strategie zu verfolgen, in bestimmten Teilen des Landes die FARC in Kämpfe zu verwickeln, um so einen schrittweisen Abbau des Friedensvertrags zu erreichen. Sowohl das Militär als auch die Guerilla bereiten den offenen Bürgerkrieg vor. Schon seit geraumer Zeit baut die Armee unter den Bauern Selbstverteidigungsmilizen auf und versorgt diese mit Waffen. Sowohl der Justiz– als auch der Verteidigungsminister haben dies öffentlich gutgeheißen. Doch häufen sich auch die kritischen Stimmen, die darauf hinweisen, daß sich das angesammelte Gewaltpotential in einem unkontrollierbaren Gemetzel entladen könnte. Die „Violencia“ (Gewalt), wie in Kolumbien der zehnjährige Bürgerkrieg 1948 bis 1958 genannt wird, der 300.000 Tote gekostet hat, ist vielen noch in lebhafter Erinnerung.