: Bundeswehr will Hattingen retten
■ Verteidigungsministerium „sondiert“ Möglichkeiten für Aufträge für bedrohte Henrichshütte / Staatssekretär sprach mit Hattinger Thyssen–Vorstand
Aus Bochum Petra Bornhöft
Zwei Tage nachdem Thyssen theoretisch mit der Stillegung der Hattinger Henrichshütte hätte beginnen können, hat das Bundesverteidigungsministerium Hilfe für die Hütte in Aussicht gestellt. Am Mittwoch sprach Staatssekretär Prof. Manfred Timmermann mit dem Thyssen–Vorstand in Hattingen darüber, „inwieweit die Bundeswehr bei der Lösung der Probleme für das Unternehmen, die Stadt und die Region helfen kann“. Das bestätigte ein Sprecher der Bonner Hardthöhe gegenüber der taz. Einzelheiten der „Sondierungsgespräche“ wollte das Verteidigungsministerium nicht nennen. Offenbar denkt man in Bonn über neue Aufträge der Bundeswehr für die Henrichshütte nach. Angesprochen auf diese überraschende Perspektive zur Sicherung von 3.000 Arbeitsplätzen, reagierte der Betriebsratsvorsitzende Rolf Bäcker gestern zurückhaltend: „Wir wissen noch nichts Konkretes über den Hintergrund und Inhalt des Gespräches“, so Bäcker zur taz, „ein klassischer Rüstungsbetrieb kann für Hattingen keine Lösung sein. Bisher ist der Umfang relativ gering.“ Auch Otto König, der erste Bevollmächtigte der örtlichen IG Metall, hat keine weiteren Informationen und „stochert völlig im Nebel“ über die genauen Absichten der Bundeswehr. Er halte „nichts von einer Rettung der Arbeitsplätze durch Rüstungsaufträge“, sagte König und fügte einschränkend hinzu, „aber wenn wir dadurch ein halbes Jahr Luft gewinnen für die Abwicklung, dann muß man das genau prüfen“. Die IG Metall und der Betriebsrat stehen derzeit unter Druck, denn letzte Woche sind die Verhandlungen mit Thyssen über einen Interessenausgleich für die Beschäftigten endgültig gescheitert. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Hätte der Vorstand der Henrichshütte nicht den bestehenden Sozialplan gekündigt, dann hätte Thyssen am letzten Montag bereits beginnen können, die Stahlbude wie geplant mit Ausnahme der Weiterverarbeitung zu schließen. Rüstungsproduktion ist in Hattingen nichts Neues. Seit Jahren indes laufen Dickbleche für den Panzer Leopard II, der von den Generalunternehmern Kraus Maffei (München) und Krupp– MAK (Kiel) produziert wird, über die 4,2–Meter–Walzstraße in Hattingen. Diese Walzstraße soll spätestens 1988 stillgelegt werden. Deshalb mutmaßen Betriebsrat und IG Metall, daß das Bundeswehrbeschaffungsamt sich wegen drohender Lieferschwierigkeiten der Henrichshütte Sorgen machen könnte. Doch davon ist dem Sprecher des Verteidigungsministeriums „nichts bekannt. Wir überlegen, wie der Region geholfen werden kann“. Auch gestern war die Landesregierung nicht über die Pläne der Bundeswehr unterrichtet. Indes steht für NRW–Regierungssprecher Müller–Reinig eindeutig fest: „Jeder, der Hattingen helfen will, ist uns willkommen. Es ist allgemein unbestritten, daß Aufträge der Bundeswehr Arbeitsplätze sichern.“ Bei dem Gedanken an Rüstungsproduktion bekommt die sozialdemokratische Landesregierung „keine Bauchschmerzen“. Im Gegenteil. Müller–Reinig wörtlich: „Das wäre doch gut, wenn die Henrichshütte Aufträge bekäme.“ Als Beispiel für eine zivile Produktion der Henrichshütte im Auftrag der Bundeswehr nannte der Regierungssprecher „Lastwagen, Unterhosen und Socken“. Ob die Bundeswehr In teresse an Unterwäsche mit Stahleinlage hat, war bis Redaktionsschluß nicht mehr in Erfahrung zu bringen.
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