D O K U M E N T A T I O N Umgestaltung braucht mündige Bürger

■ Auszüge aus einem offenen Brief von Mitgliedern der Initiative „Frieden und Menschenrechte“ an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR Erich Honecker

In den letzten Jahren wurden mehrfach Stimmen laut, die notwendige konkrete Veränderungen in der DDR–Gesellschaft forderten. In diesem Zusammenhang verstärkt sich auch das Engagement für Menschen– und Bürgerrechte. (...) Wesentlich für die Gestaltung des Verhältnisses des einzelnen zum Staat ist die Rechtssicherheit. Diese wird jedoch, offenbar im Interesse der Machtsicherung, weitestgehend vermieden. Einige augenfällige Beispiele hierfür sind: - Die Paragraphen des Strafgesetzbuches der DDR 99 (Landesverräterische Nachrichtenübermittlung), 106 (Staatsfeindliche Hetze), 107 (Verfassungsfeindlicher Zusammenschluß) und 218 (Zusammenschluß zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele), durch die jede Inanspruchnahme international festgeschriebener Grundrechte, soweit sie den jeweils augenblicklichen Interessen des Staates widersprechen, kriminalisiert werden können. Auch unterhalb der strafrechtlichen Ebene gibt es zum Beispiel nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, willkürlich Ordnungsstrafen zu verhängen, unter anderem aufgrund von § 4 (“Störung des Sozialistischen Zusammenlebens der Bürger“) der Ordnungswidrigkeitenverordnung. Daraus ergibt sich die Forderung nach Aufhebung solcher willkürlicher Bestimmungen und gegebenenfalls eine Neufassung, in der das zu bestrafende Delikt genau definiert ist. Eine weitere Forderung, um Möglichkeiten willkürlicher Machtausübung zu beschränken, ist die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit und einer entsprechenden Gesetzgebung. Gegenwärtig besteht die einzige Möglichkeit der Einflußnahme auf Entscheidungen bei allen Verwaltungsebenen nur im Schreiben von Eingaben, wodurch man zum Bittsteller degradiert wird. (...) Eine unverzichtbare Form der Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts ist die Volksab solches Volksbegehren unterstützen, abhängig sein. Hierfür ist es unerläßlich, eindeutige gesetzliche Grundlagen zu schaffen. (...) Es ist unvorstellbar, mündige Bürger in ihrer Bewegungsfreiheit so drastisch einzuschränken, wie es gegenwärtig noch geschieht. Die gestiegene Zahl westreisender DDR–Bürger kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß über die Gewährung einer Reise willkürlich und nach unbekannten Richtlinien entschieden wird. Hierbei wird jedem DDR– Bürger seine Unmündigkeit besonders deutlich, das er sich wie Staatseigentum behandelt fühlen muß.