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Skins schweigen über Mord–Motive

■ Im Hannoveraner Prozeß um den Mord an einem 17jährigen Skin die ersten Aussagen der Angeklagten / Ein Mitangeklagter vor Gericht schwer belastet / Präsident des Verfassungsschutzes soll als Zeuge aussagen

Aus Hannover Jürgen Voges

Im Prozeß um den Mord an dem 17jährigen Skinhead Roger Bornemann haben am Montag vor der Jugendkammer des Landgerichts zwei der vier Angeklagten in einer ersten Vernehmung zum eigentlichen Tatgeschehen ausgesagt. Der 18jährige Peter S. und der 19jährige Hans–Jürgen Sch., die sich beide als „Gründungsmitglieder“ der „Kameradschaft EK 1“ bezeichneten, schilderten detailliert die zahlreichen Mißhandlungen bis hin zum Mord, die am Abend des 2. Februar ihrem EK– Kameraden Roger Bornemann zugefügt wurden. Beide Angeklagten betonten, daß sie vor der Tat Bier, Whisky, Wodka und Gin getrunken hatten. Bei den Fragen nach den Motiven der Tat blieben beide Angeklagte allerdings einsilbig. Peter S. erklärte immer wieder, er wisse nicht, warum er nach den zahlreichen Unterbrechungen die Mißhandlungen mit Tritten oder CS–Gas wieder mitgemacht habe. Hans–Jürgen Sch. erklärte aber, er habe nur auf Aufforderung der anderen auf Roger eine eiserne Mülltonne auf das Opfer geworfen und ihn mit Fußtritten mißhandelt. Eigentlich habe er aber einen Mord auf keinen Fall mitmachen wollen. Mitangeklagten schwer belastet Seinen Mitangeklagten Tom K., der am Ende der stundenlangen Tortur Roger Bornemann den Schädel mit einer Zaunlatte zertrümmerte, belastete Hans–Jürgen Sch. indes schwer. Seiner Meinung nach, so sagte er aus, habe Tom K. den Mord begangen, weil Roger Bornemann vorher in Aussagen über Straftaten EK1– Mitglieder extrem belastet habe. Als der Kameradschaftsführer der EK 1, der 30jährige Bernd Futter, noch nicht verhaftet gewesen sei, habe es bereits ähnliche Taten gegeben, führte Hans–Jürgen Sch. weiter aus. Damals hätten schon ein paar Leute ausgesagt, und die hätten dann ganz gut etwas auf die Augen bekommen. Zu Beginn des dritten Verhandlungstages hatte die Jugendkammer des Landgerichts den Antrag der Nebenkläger abgelehnt, den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Gerhard Boeden und den Staatssekretär im Niedersächsischen Innenministerium Siegfried Höse als sachverständige Zeugen zu laden. Die Rechstanwälte Helga Rischmüller und Gerhard Schröder erwarteten vom obersten Verfassungsschützer Boeden Aussagen über die innere Befehlsstruktur der Freiheitliche Arbeiterpartei (FAP), deren Verhältnis zur Gewalt und deren systematische Rekrutierung unter benachteiligten Jugendlichen und unter Skinheads. Staatssekretär Höse sollte unter den gleichen Gesichtspunkten zur „Kameradschaft EK 1“ befragt werden. Der Vorsitzende Richter Gerhard Kausch begründete die Ablehnung des Antrages, den auch die Verteidigung und zu Teilen auch der Staatsanwalt befürworteten, damit, daß nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme ein Zusammenhang zur Sache noch nicht erkennbar sei. Die Nebenklage geht allerdings weiterhin davon aus, daß die beiden Verfassungsschutz–Experten zu einen späteren Zeitpunkt doch noch als Zeugen geladen werden. Ihre Bereitschaft zur Aussage in diesem Verfahren haben inzwischen auch zwei hohe FAP–Funktionäre bei Gericht bzw. bei der Polizei angeboten. Nach einem im Prozeß verlesenen Vermerk der Kripo in Hameln hat sich dort der zweite FAP–Landesvorsitzende Oskar Hinzmann telefonisch gemeldet und seinen ersten Landesvorsitzenden Volker Heidel beschuldigt, dieser habe den Auftrag erteilt, Roger Bornemann zu töten. Der FAP Bundesvorsitzende Martin Pape hat sich direkt dem Gericht als Zeuge angeboten und dabei erklärt, Landesvorsitzender Heidel sei nicht mehr Mitglied der FAP.

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