: Hansestreit ums Giftklo Schönberg
■ Hamburg: Wir deponieren weiter auf der DDR–Halde / Lübeck will weiterhin dagegen prozessieren
Von Andreas Wertz
Berlin (taz) - Sind die Giftmülltransporte aus Hamburg zur DDR–Deponie in Schönberg nun per Gerichtsentscheid gestoppt oder nicht? Wegen dieser Frage kam es gestern zum Streit zwischen den Hansestädten Hamburg und Lübeck. Erhebliche Verwirrung herrschte über die rechtlichen Auswirkungen des Urteils vom Oberverwaltungsgericht Hamburg. Das Gericht hatte am Dienstag, wie berichtet, auf Antrag Lübe Transporte nach Schönberg“. Doch die Bewertung des Hamburger Urteils im schwierig zu durchschauenden juristischen Kontext klafft zwischen der Stadt Lübeck und der Hamburger Umweltbehörde weit auseinander. Die Stadt Lübeck sieht mit dem OVG–Entscheid einen Lieferstopp für Schönberg verfügt, der Hamburger Umweltsenator Kuhbier will dagegen „die Deponie auch weiterhin beschicken“, wie er gegenüber der taz erklärte. Der objektive Betrachter erstickt derweil im unentwirrbaren juristischen Dickicht. Fortsetzung auf Seite 2 Die Stadt Hamburg schickt jährlich rund 500.000 Tonnen Gift– und Hausmüll nach Schönberg. Die Stadt Lübeck wehrt sich dagegen, weil sie durch die größte Sondermüllkippe Europas fünf Kilometer jenseits der deutsch–deutschen Grenze ihre Trinkwasserversorgung gefährdet sieht. Sie legt bei der Hamburger Umwelt behörde Widerspruch gegen die Transportgenehmigungen ein. Parallel dazu beantragt sie vor dem Verwaltungsgericht aufschiebende Wirkung für den Widerspruch. Was nichts anderes bedeutet, als daß die Gifttransporter mindestens solange nicht fahren sollen, bis der Widerspruch beschieden ist. Das Verwaltungsgericht sagt im April Nein, aber in der Berufung bestätigt das OVG jetzt die aufschiebende Wirkung. Unklar bleibt in diesem Urteil, wie lange sie gilt - bis der Widerspruchbescheid von der Hamburger Umweltbehörde ausgestellt ist oder bis er in Lübeck eintrifft oder noch ein wenig länger? Hamburgs Umweltsenator hält die aufschiebende Wirkung bereits jetzt für hinfällig: Seine Behörde habe parallel zum OVG– Entscheid die Lübecker Widersprüche abschlägig beschieden. „Das ist gar nicht zu begreifen“, meint hingegen Dr. Heinz Wenkebach, der in Lübeck die Rechtsabteilung des Senats leitet. Denn bei ihm ist ein Widerspruchbescheid aus Hamburg noch gar nicht eingetroffen, und bis dahin gelte „natürlich“ die aufschiebende Wirkung. Wenn der Bescheid aber da ist, will Lübeck „auf jeden Fall gegen Hamburg vors Gericht ziehen“. Erst dann kommt es zum „Verfahren in der Hauptsache“: Das Verwaltungsgericht Hamburg hat dann zu entscheiden, ob mit den Gifttransporten das Recht der Stadt Lübeck auf sauberes Trinkwasser beeinträchtigt wird. Bei alledem fühlt sich die Hansestadt an der Ostsee inzwischen, so Heinz Wenkebach, „wie Hase und Igel“: Gegen jede Genehmigung muß einzeln geklagt werden, und Prozesse dauern in der Regel weit länger als die Transportgenehmigungen gültig sind. Die neuen Genehmigungen seien oft längst erteilt, wenn gegen die alten noch verhandelt werde. Deshalb erwäge Lübeck, eine vorbeugende Unterlassungsklage vor dem Verwaltungsgericht einzureichen, um Hamburg die Erteilung neuer Genehmigungen verbieten zu lassen.
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