Nach langer Krankheit starb Israels „Löwe“

■ Zehn Jahre wurde mit US–Geldern am Prestigeobjekt eines supermodernen Kampffliegers mit Namen „Lavi“ gedoktert / Kostenexplosion ließ Geschäft unrentabel werden / Israels Kabinett beschloß am Sonntag Einstellung / Demo von Beschäftigten der Luftfahrtindustrie

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Tausende von Beschäftigten der israelischen Luftfahrtindustrie sind gestern durch die Straßen mehrerer Städte gezogen, um gegen einen Regierungsbeschluß vom Vortag zu protestieren. Mit einer Stimme Mehrheit hatte das Kabinett aus Arbeiterpartei und Likud–Block beschlossen, das Prestigeprojekt des Kampffliegers „Lavi“ (“Löwe“) einzustellen. Die Demonstranten blockierten die Straße zwischen Jerusalem und Tel Aviv mit brennenden Autoreifen. „Wir werden den normalen Lebenslauf hier unterbrechen. Wir machen eine zivile Rebellion“, erklärte ein Sprecher der aufgebrachten IAI–Beschäftigten. Der langsame Tod des „Löwen“ geht auf eine explosionsartige Kostenentwicklung und den Druck seitens des Finanziers USA zurück, die bereits mehr als 1,5 Mrd. Dollar in das seit zehn Jahren laufende Projekt gesteckt haben. Der Preis eines Lavi–Superfliegers war zunächst auf 15 Mio. Dollar angesetzt worden, doch heute werden bereits Summen in Höhe von 50 Mio. Dollar genannt. Bevor an eine Serienproduktion hätte gedacht werden können, hät ten die USA noch weitere zwei bis drei Milliarden investieren müssen. Zu dem Regierungsunmut über die steigenden Kosten kam die Ablehnung des Projekts durch amerikanische Firmen. Diese bemängelten, daß der Lavi keine amerikanisch–israelische Koproduktion sei und US–Gelder in die Unterstützung eines Konkurrenten gesteckt wurden, der vielleicht amerikanischen Exporteuren von Kampfflugzeugen schaden könne. Zudem würde Israel, sollte der Lavi einmal in Produktion gehen, als Kunde für die geschätzten F– 14–Kampfflieger weitgehend wegfallen. Die Reagan–Administration hatte die israelische Regierung schon seit längerem unter Druck gesetzt, das unwirtschaftliche Objekt endlich fallen zu lassen. Doch der Likud–Block hat dies bis zuletzt aus innenpolitischen Gründen abgelehnt. Die Führung der Arbeiterpartei fürchtete eine solche Demonstration des Patriotismus seitens des Koalitionpartners und kopierte die nationalistische Pose des Likud–Blocks. Unter dem Druck der USA und des finanziellen Engpasses änderte die Arbeiterpartei schließlich ihre Haltung. Damit war der Weg frei für die Abstimmung vom Sonntag, die entlang der Fraktionsgrenzen erfolgte. Aus sentimentalen und nationalistischen Gründen befürworten jedoch rund sechzig Prozent der Israelis die Fortsetzung des Prestige–Projekts. Nach der Entscheidung vom Sonntag ist in Likud–Kreisen bereits die Forderung nach Neuwahlen laut geworden, um die Stimmung in der Bevölkerung auszunutzen. Doch Wahlen könnten frühestens Ende des Jahres stattfinden, und bis dahin kann noch viel geschehen. Rechtsgerichtete Kreise nutzen zwar die Situation für nationalistische Tiraden gegen den Regierungsbeschluß, wobei ihnen die Demonstrationen der IAI– Beschäftigten entgegenkommen. Doch es ist unwahrscheinlich, daß die „Rebellion“ von Dauer ist. Es ist anzunehmen, daß die US–Regierung großzügige Vorschläge unterbreiten wird, um Massenentlassungen in der Luftfahrtindustrie zu vermeiden.