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I N T E R V I E W „Dies ist ein Stück Geschichte“

■ Michael Friedmann, Frankfurter Stadtverordneter der CDU und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt zur Räumung des Börneplatz

taz: Sollen mit der plötzlichen Räumung des Börneplatzes möglichst schnell Fakten geschaffen werden, so daß sich eine weitere Diskussion erübrigt? Friedmann: Ich glaube, daß das nicht so ist und es ist auch nicht unser Problem. Es ist lediglich eine parteipolitische Hektik entstanden, die aus meiner Sicht immer mehr von der Sache wegkommt. Damit meine ich nicht die Bürger, die sich in der Sache engagieren. Die Parteien schienen sich Konkurrenz machen zu wollen, wer schneller die schlechtere Antwort zum Problem bietet. Dadurch findet auch in der Bevölkerung eine Polarisierung statt, die der Sache inhaltlich wenig dient. Eine Denkpause wäre wirklich nötig. Ich denke an Äußerungen des ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Wallmann. Er sagte, daß es keinen Weg vom Judenghetto nach Auschwitz gäbe und der Börneplatz von der Schuld des deutschen Volkes gelöst werden müsse. Geschichte steht immer in Kontinuität. Auch das Frankfurter Ghetto und Auschwitz und die gegenwärtige Situation der Juden heute stehen in einem geschichtlichen Zusammenhang. Im übrigen halte ich diese Diskussion für müßig. Dies was hier gefunden worden ist ist ein Stück Frankfurter Geschichte, in Klammern „jüdisch“. Das ganze ist ein archäologisches Ensemble, was Frankfurt sonst nicht hat. Aus dieser Perspektive muß das Thema angegangen werden. Wie soll es weiter gehen mit dem Börneplatz? Die jüdische Gemeinde Frankfurt bedauert, daß die Stadt dort baut. Für uns ist der Fundort so wichtig wie der Fund als solcher. Ob man auf einem solchen Grundstück einen Neubau errichtet ist für uns völlig dahingestellt. Dies ist eine Diskussion, die geführt werden muß, im grundsätzlichen Sinn, wie geht eine Stadt mit solchen Dingen um. Wir würden heute diesem Bau nicht mehr zustimmen. Wie sehen sie ihre Rolle als CDU–Stadtverordneter und jüdischer Bürger dieser Stadt? Ich habe eine Rolle, die ich vor meinem Gewissen trage. Man hat als Jude in allen Parteien Probleme. Es bleibt bei der grundsätzlichen Frage wie wir mit solchen Funden umgehen. In unserer Stadt gibt es seit 1945 einen Standpunkt für die Zentralgedenkstelle für die Progromnacht. Auf diesem Grundstück stand die größte Synagoge Frankfurts. Heute steht dort ein Mitlitärbunker. In dieser Frage hat seit 20 Jahren keiner das Bedürfnis gehabt die Situation zu ändern. Das ist skandalös. Interview: Ralf Volk

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