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Rüstungsingenieur mit deutscher Gesinnung

■ Spitzenkandidat der rechtsradikalen DVU bei den Bremer Bürgerschaftswahlen baute Flugzeuge für Hitler und Peron / Der 68jährige Ulrich Stampe ist stolz auf deutsche Gesinnung / Ausflug in die Deutsche Kolonie der Rüstungstechniker in Argentinien nach dem Krieg

Aus Bremen Michael Weisfeld

Einmal in jedem Jahr treffen sich in Bremen ein paar Dutzend alte Männer, die über lange Zeit ihres aktiven Lebens gemeinsam Kriegsflugzeuge gebaut haben. Es sind ehemalige Ingenieure und Wissenschaftler, die Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung der früheren Bremer Flugzeugwerke Focker–Wulf. Unter Hitler haben sie die deutsche Luftwaffe mit Jägern und Bombern versorgt, nach dem Krieg gingen sie mit den Plänen eines Düsenjägers, der in Bremen nicht mehr hergestellt werden konnte, nach Argentinien und bauten ihn dort als „Pulqui II“ (Pfeil). Einer der Veteranen ist der 68jährige Ulrich Stampa, bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft am kommenden Sonntag Spitzenkandidat der rechtradikalen DVU (Deutsche Volksunion). Die DVU, das Bündnis der NPD mit dem Münchener Herausgeber der Nationalzeitung, Dr. Gerhard Frey, führt ihren millionenschweren Wahlkampf mit viel Material (Zeitungsanzeigen, Stelltafeln), aber nicht mit Menschen. Keine öffentliche Versammlung, keinen Auftritt ihres Spitzenkandidaten hat die Partei in Bremen organisiert, weil sie massive Gegendemonstrationen befürchtet. 1940 fing Ulrich Stampa bei der Bremer Flugzeugfirma Focke– Wulf an. Chefkonstrukteur und Vorstandsmitglied war damals Professor Kurt Tank, der das Werk in enger Zusammenarbeit mit dem Reichsluftfahrt–Ministerium in die Rüstungspolitik der Nazis eingepaßt hatte. Gegen Ende des Krieges wurde die Entwicklungsabteilung mit etwa 60 Mitarbeitern von Bremen nach Bad Eilsen verlagert und im dortigen Badehotel neu eingerichtet. Die Entwicklung an dem neuen Düsenjäger Ta 183 war im Frühjahr 1945 auf dem Papier abge schlossen. Ein Holzmodell des neuen Kriegsfliegers stellte Ulrich Stampa her, damals 26 Jahre alt. Ehe die Engländer im April den Kurort an der Weser einnahmen, vernichteten die Konstrukteure alle verwertbaren Unterlagen. Die mikroverfilmten Pläne des Ta 183 ließ Tank in Blechdosen einlöten und im Wald vergraben. Umzug nach Argentinien Die Engländer wiesen Kurt Tank als Quartier die Schaumburg in der Nähe von Bad Eilsen zu. Dort überlegte er mit seinen engsten Mitarbeitern, wo er in Zukunft Flugzeuge bauen könnte, was in Deutschland auf absehbare Zeit nicht möglich schien. Auch Ulrich Stampa war zeitweise bei Tank auf der Schaumburg. Verhandlungen mit den Eng ländern, den Sowjets, den Chinesen Tschiang–Kai–Tscheks scheiterten. Mit einem gefälschten argentinischen Paß reiste Tank im Oktober 1947 über Dänemark nach Buenos Aires, im Gepäck die Mikrofilme aus dem Waldboden von Bad Eilsen. Von Argentinien aus beorderte er seinen Stab zu sich. „Da gab es verschiedene Anlaufstellen“, erinnert sich Stampa, „ich habe einen Brief bekommen, daß ich mich da melden sollte, und der argentinische Staat hat die Reise dann möglich gemacht.“ An den Hängen über der Stadt Cordoba entstand eine deutsche Kolonie: die Rüstungstechniker mit ihren Familien, zusammen mehrere hundert Menschen. Auch Stampa kaufte dort ein Haus. Ihre Arbeitsstelle war die „Fabric Militar de Aviones“, ihr einziger Auftrag: die Pläne des Ta 183 in einen argentinischen Düsenjäger umzusetzen, den „Pulqui (Pfeil)II“. Die Flugzeugbauer aus Bremen waren nicht die einzigen Deutschen, die damals nach Argentinien kamen. An Nazi–Prominenz kann sich Stampa allerdings „nicht erinnern“, allenfalls an den hochdekorierten Jagdflieger der deutschen Luftwaffe Galant, der zu Besuch kam. Rückkehr nach Bremen Insgesamt nur sechs „Pulquis“ bauten die ehemaligen Focke– Wulf–Ingenieure in Cordoba, dann wurde die Produktion eingestellt, weil das ehrgeizige Projekt für das Land zu teuer war. Die „Fabrica Militar de Aviones“ baute fortan Autos. Die Konstrukteure des Professors Tank blieben im Geschäft, aber sie zerstreuten sich über die halbe Welt: nach Brasilien, in die USA, nach Indien. Ulrich Stampa kehrte nach Bremen zurück. Seine neue Firma, die Weser–Flugzeugbau zahlte für ihn und seine Familie die Heimreise, denn inzwischen wurden Leute mit seiner Qualifikation in der Bundesrepublik wieder gebraucht: Die Weser–Flug baute damals in französischer Lizenz einen Truppentransporter mit der Typenbezeichnung „Nord–Atlas“, Stampa wurde beauftragt, für das Nachfolgemodell „Transall“ Entwürfe zu erarbeiten. Auf den Plakaten und Aufklebern der DVU steht: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“ Dazu steht Stampa uneingeschränkt. Über die Flugzeug–Techniker, die mit ihm in Argentinien waren, sagt er: „Wir waren immer stolz auf unsere Leistungen als Luftfahrt–Nation. Trans–Atlantik–Flüge früher, das konnten die anderen Nationen gar nicht - aber wir Deutsche, wir konnten das.“ Auch die anderen Techniker hätten - wie er - die „deutsche Gesinnung“.

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