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Staatsanwälte auf der Anklagebank

■ St. Pauli–Prozesse: Verteidigung klagt ungesetzlichen Aufbau von Kronzeugen an / Staatsanwaltschaft und Kripo werden Manipulationen vorgeworfen / Anträge des Marx–Anwalts wurden abgelehnt

Aus Hamburg Ute Scheub

„Hier stellt es sich so dar, daß die Staatsanwaltschaft auf der Anklagebank sitzt.“ Mit dieser Stellungnahme traf Staatsanwältin Ahrens unfreiwillig ins Schwarze. Am zweiten Verhandlungstag gegen Josef Nusser, Siegfried Träger und Armin Hockauf, die mutmaßlichen Mordkomplizen des „St. Pauli–Killers“ Werner Pinzner, sowie in dem gestern begonnenen Verfahren gegen den St. Paulianer Hans–Joachim „Joe“ Marx, legten die Verteidiger jeweils umfangreiche Anträge vor. Darin werden zahlreiche Manipulationen von Staatsanwaltschaft und Kripo belegt. Der 32jährige Zuhälter „Joe“ Marx ist unter anderem wegen Kokainhandels und Anstiftung zum versuchten Mord angeklagt. Marx Verteidiger Größle– Münscher beantragte schon zu Beginn, die Hauptverhandlung auszusetzen und 10 der 17 Anklagepunkte einzustellen. Begründung: Ein rechtsstaatliches Verfahren sei wegen der Zurückhaltung vieler Akten und der Präsentierung „verdorbener Zeugen“ durch die Staatsanwaltschaft nicht mehr gewährleistet. Sein Mandant verlange eine Gleichstellung mit dem neben dem toten Pinzner wichtigsten Zeugen in dem ganzen St.– Pauli–Komplex, dem Bordellier Gerd Gabriel. Denn just dieselbe Staatsanwältin, die diesem Zeugen mit der Einstellung zahlreicher gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren entgegenkam, zeigte sich als Anklagevertreterin gegenüber „Joe“ Marx unnachgiebig. Auch die von seinem Anwalt vorgelegte Liste der ungesetz lichen Methoden, mit der die Sonderkommission der Kripo Marx zu einer Aussage bewegen wollte, war lang. Nach einer Beratungspause lehnte die Schwurgerichtskammer seine Anträge ab. Parallel gingen die Anwälte von Nusser, Träger und Hockauf daran, die Glaubwürdigkeit des toten Zeugen Pinzner zu erschüttern. Mittels eines umfangreichen Antrags, über den noch nicht entschieden wurde, will Nussers Verteidigerin Gottschalk–Solger beweisen, daß dessen Aussagen nach der Strafprozeßordnung nicht verwendet werden dürfen, weil Pinzner zahlreiche Vergünstigungen erhalten habe.

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