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Honey trifft Udo bei Friedrich

■ SED–Chef: „Werden uns hoffentlich bald in der DDR wiedersehen“ / Gespräche mit Rau „stimulierend“ / Universitätspartnerschaften angeregt / Wirtschaftbeziehungen vertiefen

Von Walter Jakobs

Düsseldorf/Wuppertal (taz) - Es hat geklappt. Udo traf Erich. Ein paar Meter vom Geburtsort Friedrich Engels entfernt traf Udo Lindenberg nach langem Hin und Her den Generalsekretär zum wenige Minuten dauernden Plausch. Herr Lindenberg, von der Polizei zum Treffe eskortiert, hatte eine mehrere tausend Mark teure Gitarre für Honecker mitgebracht. Der dankte mit einer mehr oder weniger direkten Einladung. „Wir werden uns hoffentlich bald in der DDR sehen.“ Zwar konnte Udo sein vorbereitetes Statement nicht loswerden - Honecker: „Da reden wir in der DDR drüber“ -, aber Udo war auch so zufrieden. „Es gibt eine generelle Zusage, die Details müssen wir mit der FDJ besprechen.“ Honey sei auch für die Parole „Gitarren statt Knarren“, meinte Lindenberg und stellte zugleich seine Traumband vor. „Honey auf der Gitarre, Kohl auf der Friedensharfe und ich auf der Schalmei.“ In dem in Abwesenheit von Honecker verlesenen Statement forderte Udo ein „Ende des unverbindlichen Palavers“. Er wolle mit dem „Oberindianer“ endlich diskutieren, welchen Beitrag die Rockmusik zur Verständigung leisten könne. An kritischen Tönen ließ es Udo nicht fehlen: „Ich bin gegen Staatszensur und lehne jede Form der Zensur ab, auch die informelle.“ Kaum war die Delegation abgerauscht und die Absperrung geöffnet, stürmten jugendliche Fans zu dem Rockstar, der von Dutzenden von Kameraleuten umlagert wurde. Zwei Tage vor der bemerkenswerten Begegnung hatte Udo über die ständige Vertretung in Bonn das Okay zum Gipfel bekommen. Zum Schluß fand Udo das Gerangel nur noch „öde und langweilig“. Honecker selbst wurde in Wuppertal von einem gemischten Publikum empfangen. Während die Junge Union und die Republikaner gemeinsam „Mauer weg“ skandierten, erklang aus der Gruppe der zahlreichen DKP–Anhänger: „Wir sind die junge Garde des Proletariats.“ Weil sich die Absperrgitter weit vom eigentlichen Geschehen befanden, bekam Honecker vom tapferen Kampf seiner westdeutschen Genossen kaum etwas mit. Der dritte Tag seines Besuches hatte für den „lieben Erich Honecker“ (Udo) in Köln mit Gesprächen westdeutscher Industrieller begonnen. Von da aus ging es per Hubschrauber nach Düsseldorf. Während Rau und Honecker in einem Vier–Augen–Gespräch „kein Gebiet aussparten“, bereitete parallel dazu eine Kabinettsgruppe unter Führung von Finanzminister Posser im Gespräch mit der von Außenhandelsminister Günter Mittag geleiteten Delegation die Belebung der drei Bonner Vereinbarungen vor. Offen ist noch, ob es zukünftig „koordinierte Gespräche“ im Halbjahresrhythmus, wie von Mittag vorgeschlagen, zwischen der DDR und NRW geben wird. Verabredet wurden Universitätspartnerschaften zwischen Aachen/Dresden und Bochum/Schwerin. Mit Aachen sind vor allem Gewässerreinigungsprojekte unter Einsatz von Biotechnologien vorgesehen. Gesprochen wurde auch über die Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen im Umweltschutzbereich. Schon heute wickelt die DDR ein Drittel ihres Außenhandels mit NRW ab. Honecker bezeichnete die Gespräche mit Rau, den er schon mehrmals getroffen hat, als „stimulierend“. In einer Tischrede hatte Honecker den über einen DDR–Spion gestürzten Willy Brandt ausdrücklich für dessen Entspannungspolitik gedankt, die für „beide deutsche Staaten erfreuliche Früchte trägt“. Von Schloß Benrath ging es nach Wuppertal zum Engelshaus. Das biografische Museum für Friedrich Engels im bergischen Bürgerhaus hat die Stadt Wuppertal erst 1970, zum 150. Geburtstag von Engels, geschaffen. Bis dahin war der Mitautor des Kommunistischen Manifests in der Stadt, in der Johannes Rau früher Oberbürgermeister war, sträflich vernachlässigt worden. Jetzt führte Johannes Rau, der im Keller des Hauses traditionell seinen Geburtstag feiert, den DDR–Gast stolz durch den historischen Ort.

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