: I N T E R V I E W „Wir leisten zivilen Ungehorsam“
■ Jimmy Ounei, Sprecher der Freiheitsbewegung FLNKS in Frankreich über das Referendum
taz: Wie beurteilen Sie die Volksabstimmung? J. Ounei: Es ist eine Farce. Man will der Welt glauben machen, daß dort eine Demokratie besteht. Dabei schaltet und waltet aber eine kleine Gruppe weißer Familien nach Lust und Laune und zwingt der Mehrheit in der Kolonie ihren Willen auf. Es ist wie in einer Bananenrepublik. Zum anderen will man die FLNKS vor der internationalen Öffentlichkeit diskreditieren. Wie wird sich die FLNKS während der Abstimmung verhalten? Schon vor Monaten haben wir beschlossen, dieses Referendum zu boykottieren. Wir werden aber den Ablauf des Referendums nicht behindern. Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Volksabstimmung, wenn dieser ein wahrer Dialog über die Zukunft des Territoriums voranginge und sie Bestandteil eienr Politik der Entkolonialisierung wäre. Davon kann heute aber nicht die Rede sein. Im Gegenteil, unser Land wird erneut kolonisiert. Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie daraus? Wir werden weiter alle Kanaken mobilisieren, um ein unabhängiges Kanaky zu schaffen. Wir werden zivilen Ungehorsam leisten, um dieses Kolonialsystem zu destabilisieren. So werden wir zum Beispiel keine Steuern mehr zahlen und nicht mehr unseren Wehrdienst ableisten. Es wird ein Kräftemessen mit der Kolonialmacht werden. Bernard Pons, der Minister für überseeische Territorien, behauptet, daß der FLNKS die Anhängerschaft davonlaufen würde. Teilen Sie seine Ansicht? Pons erzählt dies seit einem Jahr. Damit wird es aber nicht glaubwürdiger. Die FLNKS hat mehrmals bewiesen, daß eine erdrückende Mehrheit der Kanaken hinter ihr steht. Wenn Pons von einem Rückgang unserer Aktivitäten spricht, so sollte er auch erwähnen, wie es derzeit in Kanaky aussieht. Anderthalb Monate bin ich in diesem Sommer durch mein Land gereist. Keine fünf Minuten konnte ich auf den Landstraßen fahren, ohne Soldaten zu begegnen. Tausende Soldaten und Bereitschaftspolizisten sind in Kanaky. Sie sind allgegenwärtig. Mit den Demonstrationen der letzten Wochen hat die FLNKS gezeigt, daß sich die Kanaken diesem Druck nicht beugen werden. Welche Bedeutung haben die Proteste in den Anrainerstaaten gegen das Referendum? Sie sind äußerst wichtig. Es protestieren nicht nur einzelne Regierungen, sondern auch regionale internationale Organisationen, wie das Südpazifikforum, gegen die Abstimmung. Wichtig ist auch, daß die FLNKS in dieser Frage die Unterstützung vieler Gewerkschaften, Kirchen, Friedens–, Frauen– und Umweltschutzorganisationen im gesamten Pazifik bis nach Japan hin genießt. Sie stärken uns im ungleichen Kräftemessen mit der Pariser Regierung, doch die Unabhängigkeit müssen wir Kanaken schon selbst in unserem Land erstreiten.
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