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Realo–Krisenmanagement in Bonn

■ Fraktionsvorstand kippelt: Realos traten beinahe zurück... / Fischer in Bonn / Kritik an Alleingängen / Schoppe nennt MitarbeiterInnen „pöbelnden Haufen“ / Betriebsrat stocksauer

Aus Bonn Oliver Tolmein

In der grünen Bundestagsfraktion wurde gestern Schadensbegrenzung versucht. Nachdem die fünf RealpolitikerInnen des Fraktionsvorstands am Dienstag von der Fraktion wegen ihrer Wahlergebnis–Pressekonferenz vom Vortag gerügt worden war hatten diese mit dem Gedanken gespielt, überlegt zurückzutreten. Auf einer Besprechung, die bis Dienstag nacht dauerte, entschlossen sich Hubert Kleinert, Christa Vennegerts, Waltraud Schoppe, Karitas Hensel und Bärbel Rust jedoch, „vorerst“ nicht das Handtuch zu werfen. Nach einer mehrstündigen Beratung seien sie zu der „nüchternen Einschätzung“ gekommen, daß dieser Schritt politisch falsch gewesen und vielleicht als Flucht vor einer schwierigen Situation verstanden worden wäre. Gestern konferierten sie dann in den verschiedensten Konstellationen unter anderem mit dem Hamburger Ex–MdB Jürgen Reents, dem Bundesvorstandsmitglied Christian Schmidt, mit Otto Schily und mit Joschka Fischer, der aus Wiesbaden angereist kam. Unter anderem soll dabei versucht worden sein, Otto Schily für ein Amt im Fraktionsvorstand zu gewinnen. Zu Rücktrittsüberlegungen war es gekommen, als am Diens tag auf der Fraktionssitzung mehrere Abgeordnete, darunter Marieluise Beck–Oberdorf und Eckard Stratmann kritisiert hatten, daß die RealpolitikerInnen des Vorstands zum dritten Mal, trotz jeweiliger Kritik, Strömungspressekonferenzen auf eigene Faust durchgeführt hätten. Nachdem ein Antrag von Christa Nickels angenommen worden war, daß solche Pressekonferenzen künftig zu unterbleiben hätten, weil es am Montag nach den Wahlen Aufgabe des Bundesvorstandes und der Landesverbände sei, sich zu den Ergebnissen zu äußern, zog sich der Vorstand für eine halbe Stunde zur Beratung zurück. Unmut regt sich aber nicht nur bei den Abgeordneten, sondern auch bei den Mitarbeitern. „Eine unerträgliche Belastung des Arbeitsklimas und eine offene Herabsetzung der Angestellten der Fraktion“ kritisierte gestern der Betriebsrat der Grünen im Bundestag, weil Waltraud Schoppe auf der Fraktionssitzung am Dienstag gesagt hatte, die auf der Wahl– Pressekonferenz des Fraktionsvorstandes anwesenden Mitarbeiter seien nichts als ein „pöbelnder Haufen“ gewesen. Sie hatte außerdem vorgeschlagen, daß künftig MitarbeiterInnen der Fraktion nur noch in Ausnahmefällen auf Fraktionspressekonferenzen anwesend sein sollten.

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