: Der Bagger macht Geschichte in Bonn
■ Reste der Synagoge für einen Hotelneubau zerstört / Die Proteste um den Börne–Platz gehen weiter
Von Ursel Sieber
Frankfurt/Bonn (taz) - Während der Magistrat der Stadt Frankfurt bei einer Sitzung auch über die Ausschreibung eines Gestaltungswettbewerbs für den Börneplatz (die ehemalige Judengasse) beriet, gingen gestern vor dem „Römer“ die Proteste gegen die Bebauung des Platzes weiter. Mit der Ausstellung von Bildern zur Geschichte der Juden, einer Diashow zur Geschichte der Frankfurter Juden im „Dritten Reich“ und einem überdimensionalen Ausgrabungsplan der umstrittenen historischen Stätte sollten die im Römer tagenden „Volks“vertreter zur Revision ihrer Entscheidung bewegt werden. Anzeichen dafür zeigten sich allerdings nicht. Nur eine „judenreine Gruppe“ hätte gestern abend die Erlaubnis von der Polizei erhalten, das Baugelände zu betreten. Der „Jüdischen Gruppe“ und der „Jüdischen Studentengruppe“ wurde jedenfalls der Zutritt verweigert, weil sie sich weigerten, nichtjüdische Mitglieder unter den Eintrittswilligen zu selektieren. In Bonn wurde derweil gestern früh der Synagogenplatz geräumt. Anschließend begannen die Bagger mit der Zerstörung der Fundamente. Gestern nachmittag stand nur noch die zum Rhein hin gelegene Grundmauer. In der Auseinandersetzung um den Erhalt der Synagogenreste hat die Baugesellschaft damit Fakten geschaffen. Auf dem ehemaligen Hotel soll ein Großhotel mit Tiefgarage gebaut werden; die Stadt Bonn hat das Gelände Ende 1985 an eine Privatfirma verkauft. Fortsetzung Seite 2 Seit ungefähr zehn Tagen hatte das jüdische Ehepaar Gina und Michael Düllmann ein Zelt auf dem Platz der von den Nazis 1938 zerstörten Synagoge aufgeschlagen. Ihre Forderungen lauteten: Sofortiger Baustopp, Restaurierung der Fundamente und die Errichtung einer Gedenkstätte am historischen Ort. Noch am Mittwoch abend hatten ungefähr 150 Personen für den Erhalt des Synagogenplatzes demonstriert. Auch die FDP und die SPD hatten im Bonner Stadtrat eine „Denkpause“ beantragt. Der Baukonzern hat gegen Michael Düllmann, der gestern morgen vom Platz getragen wurde, Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung erstattet. Bei den Bonner Stadtvätern gibt es jetzt Überlegungen, einen Teil der Synagogen–Mauer auf der gegenüberliegenden Rheinpromenade zu errichten. Die jetzigen Pläne sehen vor, die Umrisse der Synagoge in der Tiefgarage zu kennzeichnen, und am Eingang Teile der rheinseitigen Mauer zu erhalten. Michael Düllmann will seine Protestaktion fortsetzen und sein Zelt gegenüber der Baustelle auf der Rheinpromenade aufschlagen. Er hat einen Hungerstreik angekündigt. Gestern fand in Bonn eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Synagogenplatz statt.
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